Dienstag, 20. Juli 2010

Torstens Genusskommentar: Bagnères-de-Luchon – Pau

Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen

Diese Strecke ist natürlich ein absoluter Klassiker. Jeder wirkliche Fan der Hochpyrenäen wird diese Strecke bereits auf die eine oder andere Art erlebt haben. Zugegebermaßen gibt es in diesen Gefilden ja auch keine Alternativen Strecken…

Für mich wäre diese Strecke der noch fehlende große Wunschtraum des Radwanderers in den Pyrenäen, zumal ich das Gebiet zwischen dem Mittelmeer und dem Tunnel von Vielha quasi „abgegrast“ habe. Aber auch per Auto ist diese Strecke auch nach dem zig´ sten Male immer noch beeindruckend und Hochgefühle weckend. Und hier sind ja auch fast alle wichtigen Zugangsstrecken in das Reich der 3000er. Und davon habe ich mir in den letzten Jahren so viele gegönnt wie machbar waren. Meist ist dies jedoch von den Witterungsbedingungen abhängig. Die erste Tour Richtung Balaitous endete im Schneechaos, genau wie der Versuch, die Picos de Infierno an einem Tag zu machen. Beim ersten Mal war es die fehlende Ausrüstung, das zweite Mal wurde nach einer Steilpassage von über 200 Höhenmetern im Schneefeld die Zeit zu knapp. Nach meiner ersten Erfahrung fahre ich grundsätzlich auch im Hochsommer nur mit Eispickel und Steigeisen  in die Region, die komplette Kletterausrüstung muss natürlich auch dabei sein…

Die Highlights der Strecke sind natürlich im wahrsten Sinne des Wortes die Pässe…
Aber auch dazwischen gibt es Entdeckenswertes.
Gleich zu Beginn der Strecke wird durch einige kleine Dörfer mit hübschen Kirchen gefahren, die Radler haben keine Zeit dafür, geht es doch sofort mit dem ersten Anstieg richtig zur Sache. Vom Paß Col de Peyresourde, der noch zu den „niedrigeren“ Pässen gehört, hat man einen ersten schönen Blick in die Landschaft der Hochpyrenäen mit ihren 3000ern (am besten kurz hinterm Pass , wo die Straße nach Peyresourde Balestas abzweigt.
Unmittelbar vor dem Anstieg zum Col de Aspin kommen die Fahrer durch Arreau, für mich eines der schönsten alten Städtchen in den Pyrenäen, kein aufgemotzter Badetouri-Ort, sondern einfach so, als wäre in den Gassen der Altstadt die Zeit stehengeblieben. Ein Bummel und die Besichtigung des alten Stadtkernes mit den alten Häusern und Kirchen lohnt.
Hier geht auch die Straße zum Tunnel von Bielsa ab, einer der wichtigen Pyrenäengrenzübergänge nach Spanien und Zufahrt zu den Ausgangspunkten für Expeditionen ins Néouvielle – Massiv und zum Pic Long auf französischer Seite und zum Munia bzw. ins Perdido Gebiet auf spanischer Seite. Auf dem Weg zum Munia musste ich leider den Sack hängen lassen, da plötzlich die Gewitter von allen Seiten kamen und ein Umkehren dringendst anzuraten war. Ein Bericht zu dieser spektakulären Tour in einer der wohl einsamsten Gegenden müsste wohl am Besten lauten: „Allein unter Geiern“. Nie kam ich in freier Natur so nah an die imposanten Vögel heran wie dort…
Das Spektakulärste am Col de Aspin ist vielleicht die Strecke, die die Radler hoch müssen mit ihren zahlreichen Haarnadelkurven. Die Aussicht und die Abfahrt sind im Prinzip weniger gigantisch. Dafür wartet unten mit Sainte-Marie de Campan ein hübsches Dorf mit sehenswerter Kirche auf uns. Ich würde hier erst mal Schluss machen und einen Klettertag einlegen, so wie ich das des Öfteren getan habe. Ein kleiner Rastplatz mit der Möglichkeit zum Biwakieren ist an den Felsen gegeben und es gibt dort phantastische Routen in bestem und nicht übermäßig abgegriffenem Kalkstein. Nur kann ich nichts sagen, was für Routen ich dort machte, denn bis heute habe ich trotz etlicher Zwischenstopps dort kein Topo vom Felsen.
Eindrücklich dann die Fahrt hoch zum Tourmalet, noch eindrücklicher, weil naturbelassener die Abfahrt. Das auf der Steigung liegende La Mongie dagegen darf sich meiner Meinung nach mit um den Preis „hässlichster Ort Frankreichs“ beteiligen. 
Einzigartig der Halt auf dem Col de Tourmalet – egal bei welchem Wetter, ein jedes hat was für sich.

Alle diese Bergabschnitte sind ja eigentlich „Zones pastorales“, in denen die Tiere Vorrang mit dem Menschen haben und grad auf der Tourmalet Strecke muss man mit allem rechnen, auf der Straße liegende Schafe und Kühe, die sich den Hinterm auf dem Asphalt wärmen oder kühlen, plötzlich querende Tiere sowieso, neben Schafen und Kühen auch halbwilde Pferde und sogar Lamaherden, mit Glück steht auch ein Murmeltier neben der Straße und grüßt…
Gab es eigentlich bislang bei der Tour nie Kollisionen oder andere Unfälle? Ich fahre jedenfalls per Auto dort wegen der Tiere wesentlich vorsichtiger ab, als es die Rennfahrer tun…
Bareges und Luz Saint Sauveur sind beides typische Touristen- und Kurorte, in denen man stoppen kann, wenn man sich verpflegen muss. Aber das Gewusel muss man schon aushalten.

In Luz geht es dann ab nach Gavarnie, dem wohl imposantesten Naturspektakel der französischen Pyrenäen. In der Saison unbedingt antizyklisch fahren, sonst ist man hier im Dauerstau. Ich schaffte es sogar, in Gavarnie auszusteigen und die Einkäufe zu erledigen (gutes lange haltbares Pain de Montagne wird hier verkauft!) und dann wieder ins Auto einzusteigen, der Fahrer war noch nicht weit gekommen. Am Besten also am Nachmittag hoch (so hoch es geht und dann zu Fuß weiter zur Grenze und dann zur Hütte unterhalb der Breche de Roland (ca. 3 Stunden engagierte Tour zu Fuß.) Dort kann man kostenfrei zelten (allerdings tagsüber das Zelt flach legen) und man erreicht von da mit Kletterseil, Steigeisen und Eispickel einige 3000er an nur einem Tag. Den Taillon kann man sogar ganz ohne Ausrüstung hoch wandern.
Aber die Radler wollen nicht hoch, sondern runter – zumindest bis Argeles Gazost. Unterwegs zweigt noch die Straße nach Cauterets / Pont d´ Espagne ab – Ausgangspunkt für mehrtägige Expeditionen ins Vignemale Gebiet. Auch von der Strecke auf den Aubisque zweigen noch zwei Straßen ins Gebirge ab, von denen aus es sich gut in die Gegenden zwischen Vignemale und Balaitous einsteigen lässt.
Arrens Marsous ist ein kleiner netter Ort zum Verpflegung auftanken, für all jene bestens geeignet, die den Trubel in Argeles und Luz nicht brauchen. Guten Käse kann man faktisch überall entlang der Strecke kaufen, aber auf dem Col de Aubisque gibt es sogar einen mit einem eigenen geschützten Namen – den Aubisque.

Wenig später kommen wir dann in eines der berühmten Käsetäler der Pyrenäen, das Ossau Tal. Hier werden Käse der AOC Ossau Iraty allerorten zur Verkostung und zum Kauf angeboten, bei meinem Lieblingserzeuger (am Ortsausgang von Laruns Richtung Arudy links neben der Straße) fahren die Profis direkt vorbei. Das kleine hübsche Städtchen lohnt aber auch sonst genau wie Arudy einen Pausenstopp. Beide Orte gehören trotz ihres schönen Kerns zu den eher ruhigen und nicht ganz so überlaufenen Orten in den Pyrenäen. Und wenn oben in den hohen Bergen zu schlechtes Wetter zum Bergsteigen ist, dann hat man in der Nähe beider Orte die Möglichkeit zum Klettern an sehr schönen Felswänden.
Auf die Wand von Laruns schaut man linkerhand der Brücke über den Ossau, bevor es in den Ort hineingeht. Hier gibt es auch einen nett zu machenden Via Cable, bei dem die ganze Wand in ca. halber Höhe gequert wird - mit Klettersteigsicherung zu machen. Laut Angabe im Topo 3. Grad. Wer aber nach der Hälfte das ansteigende Kabel nimmt, der kommt mit dem 3. Grad nicht mehr hin, das ist eher 5 bis 5+. Und dann möchte man auch ein 60m Seil mithaben, um sich die mehr als 25 m  abzuseilen, um wieder an das Seil mit der 3er Querung  für den Rückweg zu kommen. Das Abklettern des teils überhängenden Felsens kann sonst recht unangenehm werden (im Topo der Touri-Info wird dieses Schmankerl nicht erwähnt.)
Die Felsen von Arudy sind etwas versteckter, aber auch hier gibt es in der Touri-Info ein gutes Topo zur Orientierung. Die Klettereien sind sehr spaßig, aber zu viel Sonne ist nicht all zu gut. Am Nachmittag wird es an den schönsten Wänden schnell recht heiß.

Da wird es dann Zeit für einen Stopp in Gan – wir sind dann mitten im Zentrum des Weinbaugebietes der AOC Jurancon, die durch trockene und edelsüße Weine aus Gros und Petit Manseng und Courbu (wiederum wie in Südwestfrankreich üblich autochthone Sorten) auffällt.
Die trockenen Weine sind hervorragend zu Forelle oder Lachs, zum Spargel oder zum Pyrenäenkäse, die Edelsüßen sollte man reifen lassen und dann solo oder zur Foie Gras genießen, gealtert können sie auch ein komplettes Menu begleiten. Ich hatte erst unlängst einen Croix du Prince der Genossenschaft aus Gan aus dem Jahr 1990 offen und der war ein wirklich großer Süßwein.
Dass ich in Pau bislang immer nur durchgefahren bin, liegt sicher am deutlichen Ruf der Berge, wie auch an den fehlenden kostenfreien Parkplätzen im Zentrum, letztes Jahr mussten wir aufgrund vieler Baustellen eine unfreiwillige Stadtrundfahrt durch diese wohl wirklich schöne Stadt machen und waren am Ende nur genervt von der fehlenden Umleitungsausschilderung. Ihr dürft mich jetzt alle Kunstbanause nennen…

Auch habe ich dummerweise keinen Jurancon mehr auf Lager, aber ich fand einen anderen genialen Süßwein, der dann auch nicht so weit vom Startort der Etappe Pamiers – Bagnères de Luchon weg stammt… 
  • Domaine de Montels; Cuvée Alice; Vin de Pays des Côteaux et Terrasses de Montauban; 2004 weiß-süß;Wenn man ganz viel Glück hat, sieht man von hier aus auf dem Weg nach Toulouse bereits ein erstes Mal die Pyrenäen Gipfel. Wenn man noch mehr Glück hat, dann übersieht man nicht die Zufahrt zur Domaine de Montels, die bereits an der RN ausgeschildert ist. Philippe und Thierry Romain machen dort jede Menge begeisternder Weine hinsichtlich Qualität und Preis-Genuss-Verhältnis. Zu viele, um von jedem gleich eine Kiste ins Auto zu laden, grad wenn man erst auf dem Weg ins Priorat ist…
    Die Alice hier ist im Gegensatz zur Alice aus dem Priorat, von der ich noch Restflaschen abzugeben hätte, nicht rot und wuchtig-mineralisch trocken, nein sie ist eine ganz Süße, aus 100% Sauvignon Blanc gemacht – 3.000 Flaschen davon gab es und nicht zu Unrecht war der  Wein Coup de Coeur im Guide Hachette 2005. Schon in der Nase sehr exotisch-süß, aber zugleich auch frisch, der Gaumen bestätigt Süße wie auch Frische, der Wein hat eine nahezu perfekte Balance und bleibt trotz der Süße trinkig. Bei jedem Schluck werden neue Aromen herausgekitzelt, exotische Früchte, Rhododendronblüte, ein Löffel Honig, ein Stück Bienenstich, kalter Saft von Zitrusfrüchten und Dosenananas… Sehr vielschichtig und sehr verführerisch – am Ende weiß ich gar nicht mehr, welcher der beiden Alices ich den Vorrang geben soll, der noblen sexy Rothaarigen oder der süßen Blonden, die auch nur zum halben Preis des Prioratos verführt. So verschieden sie sind, ich mag sie beide…
    Die Süße sehe ich übrigens bei 94/100 Th. – ein exzellenter Wein. 

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