Sonntag, 18. Juli 2010

Torstens Genusskommentar: Revel – Ax 3 Domaines

Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen

Die heutige Etappe ist wieder aus kultureller und geschichtlicher Sicht äußerst interessant, wir bleiben noch bei den im Bastiden Stil erbauten Ortschaften, aber die Strecke führt auch durch das Land der Katharer. Die Katharer glaubten (stark vereinfacht), dass das irdische Leben schon die vorweggenommene Hölle sein kann und wer gut nach urchristlichem Glauben lebt, der käme dann bei seinem Tode ins Paradies. Sie waren gegen Prunk und Protz und Anhäufung von Reichtümern in den Gebetsstätten und gegen das Leben, welches die Kirchenoberen schon damals führten. Ihr gelebter Glaube brachte ihnen viel Anerkennung beim einfachen Volk ein, die Mächtigen der katholischen Kirche erklärten sie jedoch aus diesen Gründen zu Ketzern und ließen einen wahren Völkermord veranstalten. An einigen dieser brutalen und grausamen Orte, an denen die Katholiken damals so schlimm wüteten wie wir es aus neuerer eigener Geschichte kennen, fahren wir heute hautnah vorbei. Die prunkvollen katholischen Kirchen hier selbst in kleinen Orten sind Zeichen des Sieges der Katholiken, die zerstörten Katharerburgruinen erinnern an die Schuld, die der Katholizismus durch Folter und Völkermord in dieser Gegend für immer auf sich lud. 
Das Inquisitionshandbuch des Dominikanermönchs Bernard Gui (1260/61 – 1331) ist die detaillierte Anleitung zum Foltern und zum Umgang mit Ketzern und sicher eines der unseligsten Sach-Bücher, die je geschrieben wurden – und immer wieder nahmen es sich Völkermörder und Geheimdienstler dieser Welt seither als Lehrbuch. Das Blut für die Feder dieses Buches stammt aus dieser Gegend zwischen Toulouse und Carcassonne… 
Bereits kurz hinter dem Startort Revel wurden in Les Casses (ca. 10 km von der Strecke entfernt) etwa 60 Katharer auf dem Scheiterhaufen in Mai 1211 gemeinsam verbrannt. Die Steinstatue eines betenden anstelle eines gekreuzigten Christus erinnert an den Glauben der Katharer. 
Das hübsche Castelnaudary wurde in den Katharerkreuzzügen von den Truppen der Herzöge bzw. Grafen von Foix und Toulouse 1211 acht Monate lang ergebnislos belagert. Die Kreuzritter von Simon de Montfort waren zu sehr überlegen. 
Heute ist der quirlige Ort, bei dem der Canal de Midi überquert wird, vor allem wegen seines Cassoulets berühmt. Auch wenn mir die echten Zutaten für das Cassoulet von Castelnaudary fehlen, so werde ich dennoch heute ein Cassoulet zubereiten, um die Etappe damit zu ehren. 
Das wunderschöne Mirepoix, einer der vielleicht schönsten Orte, durch die die Tour in diesem Jahr führt, war einst eine Hochburg der Katharer, in der es etwa 50 Häuser gab, in denen „Vollendete“ lebten. Während der Kreuzzüge wechselten sich mehrfach die Herrschenden ab.1317 hatte die katholische Kirche endgültig die Oberherrschaft gewonnen und errichtete zum Zeichen ihrer Macht die heutige Kathedrale. 
Bis Aigues Vives habe ich die Strecke vom Startort so abgefahren, wo die Profis zum Lac de Montbel abbiegen, bin ich tiefer ins Gebirge, meine Ziele waren die Besteigung des 2388 m hohen Pic de Saint Barthelemy (der heilige Berg der Katharer),die Gorges de la Frau, die Quelle von Fontestorbes und natürlich die Katharerruine Montsegur
Auch Chalabre war ein Ort grausamer Kämpfe der katholischen Kreuzritter gegen die Bewohner des Languedoc, nahe der Tourstrecke befindet sich mit Puivert eine der wichtigen Katharerburgen, die ich mir auf genannter Tour natürlich ebenfalls ansah. Doch dazu haben die Profis weder Zeit, noch das Kleingeld  für das Eintrittsticket in der Rennhose. 
Bei Espéraza trifft dann die Tourstrecke wieder auf eine von mir häufig und gern befahrene Strecke. Gegenüber auf hohem Felsen befindet sich einer der wohl mythischsten Orte Frankreichs: Rennes – le Château. Ob man sich nur den traumhaften Ort mit seinem eigenartigen Taufbecken, welches von einer Art Teufel, dem Dämon Asmodi gehalten wird, ansieht oder mit Spitzhacke und Schatzkarte zu den Tausenden gehört, die nach den Schätzen graben, die der seltsame Pfarrer Saunière dort gefunden haben will und der ihn zugrunde richtete, der Ort zieht jeden auf unterschiedliche magische Art an. Auch die hier zu findenden Burgruinen sind Zeitzeugen der Katharerepoche.
Landschaftlich besonders reizvoll wird die Strecke dann zwischen Quillan und Axat beim Engpass Defile de Pierre Lys und dem Loch des Pfarrers (Trou du Curé). Dieser Tunnel, durch den heute die Profis fahren wurde 1887 vollendet und ist nur mit Spitzhacke und Schaufel entstanden.

Auch hinter Axat bleibt es durch weitere Engpässe in der oberen Schlucht  der Aude landschaftlich sehr reizvoll. Die Radler biegen dann zum Port de Pailhères ab, während ich diese Strecke gern weiter nehme, um auf das Plateau der Cerdagne und von dort aus nach Spanien zu kommen. Aber auch das Ariege-Tal mit dem heutigen Ziel in Ax-les-Thermes nehme ich gern, hier geht es über Andorra nach Spanien. Diesen Weg nahm ich bereits in beide Richtungen auch per Rad auf mich. 1991 hatte ich bei der Überquerung des Passes in Andorra im August nur 6° und Regen, auch die rasante Abfahrt nach Ax machte es nicht besser, aber dann der Kaffee mit Rosinenschnecke im heißen römischen Thermalbecken brachte mich wieder auf Normaltemperatur. Seither gehört das Fußbad mit Kaffee zu einem üblichen Ritual, wenn ich durch Ax komme…

Meine beiden Etappenweine stammen aus dem Aude-Tal, besser gesagt aus Limoux. Die AOC´s dort gehören weintechnisch ins Languedoc und sind lange Zeit den Weißweinen vorbehalten gewesen. Blanquette de Limoux und Blanquette Méthode Ancestrale sind ähnlich geartete Schaumweine, wie wir sie bereits bei der Etappe hatten, die durch Die führte. Der Cremant de Limoux ist natürlich eine weitere Schaumweinappellation, die sich in ihrer Art der Herstellung am in der Champagne üblichen Verfahren orientiert. Und sogar hinsichtlich der Traubensorte Chardonnay. Deren Stillweine tragen die AOC Limoux und sind seit langem berühmt. Chardonnay, Chenin und Mauzac sind die erlaubten Rebsorten. 
Aber natürlich gibt es auch wunderbare Rotweine, seit 2004 dürfen auch sie die AOC Limoux tragen. – auch die Mouton Rothschild Mutter erzieht dort neuerdings Kinder, der Rotwein Domaine de Baron d´Arques ist bereits in der Preiskategorie 30-38 € / Flasche angesiedelt (Adel verpflichtet), meine beiden Flaschen für heute sind nur etwas mehr als halb so teuer gewesen (zusammen!) und stammen noch aus der Zeit, wo sich Rotweine hier prinzipiell nur als Landweine  bezeichnen durften.

Über den Erzeuger, die Kooperative Aimery – Sieur d´ Arques, eine der innovativsten und besten in ganz Frankreich ist schon so viel geschrieben worden, dass ich nicht alles wieder aufwärmen möchte, sondern lediglich die beiden Weine empfehlen möchte, denen mehr als 5 Jahre lange Lagerung sich gelohnt hat, beide habe ich neben etlichen weiteren 2003 direkt vor Ort im Laden der Kooperative, wo man sehr freundlich empfangen wird und sehr großzügig probieren kann., gekauft.
  • Les Caves du Sieur d´ Arques; Vicomte Edmond H. de Coussergue; Sélection Pinot Noir; Vin de Pays de la Haute Vallée de l´ Aude; 2000 rot; Wo Chardonnay so gut gedeiht, muss man auch aus Pinot Noir was Anständiges machen können, dachten sich die Mönche und auch die Genossen und hatten Recht damit. Leicht gereiftes Pinot-Rot, warm duftend und finessebetont, eigentlich überhaupt nicht ans Languedoc erinnernd. Am Gaumen recht zart und harmonisch, ein eleganter Pinot mit einer leichten Kalksteinnote und reifer Frucht – Johannisbeere und eingekochte Kirschen mit viel Saft. Ein schlanker, weiblicher Wein, der sehr gut zu trinken ist – sehr gute 91/100 Th. – mit nur 12,5° Alkohol oft weniger als aus Burgund stammende Pinots, mit deren durchschnittlichen 1er Crus könnte er durchaus mithalten…
  • Les Caves du Sieur d´ Arques; Roi de Mari; Sélection Merlot; Vin de Pays d´ Oc; 2000 rot; Der Wein erinnert an ein 1933 durch Ausgrabungen hier gefundenes Dorf, welches ca. 3000 Jahre als ist und Zirilim, dem König von Mari gehörte. Eine wohl für die damalige Zeit außergewöhnliche Zivilisation in dieser Gegend. Und auch dieser Merlot ist außergewöhnlich – fülliger als der Pinot mit weicher Merlotfrucht, leicht körnigem Tannin und recht voll, fast schwer am Gaumen. Konzentrat einer Pflaumenbowle, röstige Aromen, Backpflaume – für sein Alter überraschend präsent und von sehr schöner Nachhaltigkeit. Durchaus nobel. Exzellente 93/100 Th. für die Flasche Nr. 9684.

Ein Maury, der an die Katharer erinnern soll, wird auf eine der späteren Pyrenäenetappen verschoben…

Château de Puivert 

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