Montag, 25. Juli 2011

Tour des Vins 2011

Mein Toursieger: Les Calcinaires von Gauby
Das wars für dieses Jahr, eine schöne Zusammenfassung der Tour hier bei Spiegel Online (klick). Jetzt wird natürlich spekuliert, ob Evans ein "sauberer" und "würdiger" Sieger ist. Und auch die Dopingdiskussion hält an. Treibt es die Fahrer, erzwungen durch stärkere Kontrollen, zu eienem Verzicht auf unerlaubte Maßnahmen der Leistungssteigerung ? Zitat S.O.: "Wird weniger gedopt ? Es gibt Hinweise darauf. Wir sehen keine Prätorianergarde mehr, die Tag für Tag bis in den letzten Gipfel hinein für ihren Kapitän das Feld zermürbt. Im Ziel wirken die Athleten erschöpfter als vor Jahren..."
Eine differenzierte Haltung und Argumentation dazu hier von Peter Sloterdijk (klick): "...der Radsport ist auch hierin strukturell katholisch: ohne Heuchelei nicht überlebensfähig. Eine Reformation der Tour de France bleibt unvorstellbar, weil man dann lauter Ernüchterte auf die Piste schicken würde, das wäre der Natur des Ereignisses nicht gemäß. Die Tour ist einer der wenigen Mythen des 20. Jahrhunderts..."

In Deutschland ist natürlich der helle Funke der Tourbegeisterung längst erloschen, wer erinnert sich heute noch an die Ulrich - Jahre nach seinem Toursieg 1997, an die Duelle in den Folgejahren gegen Lance Armstrong. Das ist vorbei, die deutschen Fahrer sind Helfer, unermüdliche Rackerer wie Jens Voigt, Andreas Klöden, Linus Gerdemann. Das Nachwuchstalent Tony Martin ist leider eingebrochen, mit einer fulminanten Zeitfahrt kommt man nicht auf die vorderen Plätze, die Tour enscheidet sich am Berg.
ARD und ZDF klinken sich ja im nächsten Jahr komplett aus der Live-Berichterstattung aus, schade.

Priorat-Hammer und Weindeuter werden zumindest nicht nachlassen, deshalb auch im nächsten Jahr zur TdF 2012 wieder Wein-Genuß-Reise-Tour Berichte hier...

Sonntag, 24. Juli 2011

Schlußwort vom Priorat - Hammer: Paris

Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen


Paris !
Ist für mich immer wieder eine Reise wert, man kann die Stadt wunderbar zu Fuß durchqueren, es wird nie langweilig oder uninteressant, ein kompaktes Zentrum voller sehenswerter Bauten und Plätze… Ob vom Gare du Nord zu Fuß zum Gare de Montparnasse oder vom Gare de Lyon zur Arc de Triomphe – Paris fordert zum Großstadtwandern regelrecht heraus…
Eine Radtour beendet habe ich hier noch nicht, aber eine begonnen. 1997 machte eine sehr gute Freundin ein Auslandssemester in Paris und hatte eine kleine Butze ganz in der Nähe des Jardin du Luxembourg. Ich konnte in diesem Jahr erst im November Urlaub nehmen und startete meine kleine Tour de France in Paris. Per Bahn erreichte ich die Stadt, es gab seinerzeit einen Zug von Strasbourg aus, der Räder mitnahm, nicht die direkte Anreise für mich, aber was will man machen… 
Einige Tage verlebte ich natürlich vor dem „scharfen“ Start in Paris, an einem Nachmittag fuhr ich mit Sabine hinaus zum Château und Bois de Vincennes, an dem die Radler auf dem heutigen Weg nach Paris auch durchgekommen sind.

Ansonsten sollte man auch als Radler in Paris einfach nur mitschwimmen, wenn man durch die oder aus der Stadt heraus will, man hat ja weder gesperrte Straßen noch Ampeln mit Dauergrün. Ein bissel Ortskenntnis zu Fuß ist schon erstmal von Vorteil, um die richtige Ausfallstrecke zu finden.
Für mich war es damals doppelt einfach – zunächst ist der Tour de Montparnasse fast immer zu sehen und dann hat man schon mal die richtige Richtung gen Porte d´ Orleans und zum zweiten gab es damals weit weniger Autobahnen und Schnellstraßen. Auch meine Strecke in Richtung Étampes, Pithiviers nach Orleans war damals von der Orientierung her problemlos als Radfahrer zu machen, heute wird die vierspurige Schnellstraße vielleicht für den Normalradler gesperrt sein und man muss viele Umwege über kleine Straßen in Kauf nehmen.
Klar war das mit dem Verkehr auch damals schon nervig, eigentlich hieß es nur immer zusehen, über die Ampeln zu kommen und dann Kopf runter und nicht nachdenken, bis man dann aus dem Großraum Paris raus ist. Komischerweise habe ich an das Stück bis Étampes auch gar keine Erinnerungen mehr. Andererseits muss ich auch eine Lanze für den französischen Autofahrer brechen, denn ich fühlte mich als Radfahrer selbst in dieser heiklen Gegend immer respektiert und wahrgenommen.
Damals ging es für mich über Orleans, dann die Loire aufwärts, später über das Beaujolais – Gebiet bis in die Weinberge der nördlichen Rhône und dann hinüber nach Voiron unterhalb des Chartreuse – Gebietes. Nach einem Zwischenstopp dort (auch hier machte ein guter Freund ein Auslandspraktikum) ging es dann über Bourg en Bresse, das Jura und im Doubs – Tal, weiter über Mulhouse wieder nach Deutschland zurück. Das Ganze als Einzel“zeit“fahren mit vielen schönen Zwischenstopps. Frankreich lädt halt nicht nur zum Durchrasen ein…

In diesem Sinne danke für das Lesen auch in diesem Jahr und auf eine neue Tour in 2012.



Etappe 21: CRETEIL - PARIS CHAMPS-ELYSEES 95 km


Cadel Evans in gelb, Andy Schleck (zum dritten Mal Zweiter) - ein Wunder war da gestern beim Zeitfahren in Grenoble nicht zu erwarten. Lustig, wie schnell der Australier während der Siegerehrung den kleinen Löwen liebgewonnen hatte und ihn vor Rührung und mit unterdrückten Tränen knuddelte. Heute gehts menschlich weiter, bei der Tour d´ Honneur durch Paris wird der Spitzenreiter ja nicht mehr attackiert. Stattdessen gibts ein Glas Schampus...




Die französische Hauptstadt ist für mich noch unbekanntes Terrain. Wenn ich hinfahre, nehme ich aber dann auf jeden Fall  Pierrick Jégus  Buch "Best Wine Bars & Shops of Paris" mit: "Fifty charming and notable cavistes". Her damit !

Mein Wein für heute ist natürlich auch ein Schäumer, allerdings nicht aus der Champagne, sondern aus südlicheren Gefilden. Er schlägt den Bogen zurück zur 15. Etappe, die ja in Limoux begann. Da wurde schon lange vor dem Siegeszug des Champagners der Blanquette de Limoux erzeugt, der "älteste Schaumwein der Welt (klick). Die Legende schreibt auch hier einem Mönch (des Benediktinerklosters Saint Hilaire) seine Entdeckung zu. Das aber schon im Jahr 1531, über 100 Jahre vor Dom Pérignon in der Champagne. Bei der immer noch verwendeten Méthode Ancestrale findet ausschließlich eine einzige Gärung des Grundweins statt. Der Most wird erst auf eine Temperatur von etwa 10 °C heruntergekühlt. Die alkoholische Gärung startet dadurch nicht sofort, sondern fünfzehn bis zwanzig Tage später und zieht sich über mehrere Wochen hin. Der Most wird aber nur soweit vergoren, dass er noch genügend Restzucker für die Gewinnung der Perlage enthält und dann ohne weiteren Zusatz von Zucker und Hefe in Flaschen gefüllt, in denen es dann munter weitergärt. Im Gegensatz dazu steht die Méthode Champenoise, die bei den französischen Crémants Anwendung findet. Da wird dem Grundwein ja nach der ersten abgeschlossenen Gärung wiederum Zucke und Hefe (Tirage) beigefügt und in der Flasche ein zweites Mal vergoren. Diese Methode ist in Limoux mit der AOC Crémant de Limoux erst seit 1990 offiziell zugelassen.

Ein solcher Cremant, also sozusagen die moderne Varainte ist der "Clos des Demoiselles" 2007Domaine J.Laurens Crémant de Limoux (Chardonnay, Chenin et Pinot Noir / 12 / 15€). Mittleres Gelb im Glas, expressive Nase, appetitmachend. Reife Birne, Milchbrötchen, geröstetes Toastbrot. Dichte feine Perlage. Ist in einem schön gereiften Zustand, mit noch genügend Trinkfrische. Kam in der Verkoster/innen - Runde etwas besser an als der ebenfalls geöffnete Tresor von Laduby.



Samstag, 23. Juli 2011

Etappe 20: Showdown in Grenoble

Schleck endlich in GELB. Vielleicht nur heute...

57 Sekunden liegt Andy Schleck nach dem gestrigen Ritt vor Cadel Evans. Und das nach insgesamt 3292 Km und 83 Stunden Gesamtfahrtzeit. Und jetzt entscheidet sich das Rennen heute bei einem Einzelzeitfahren, verrückt. Jeder fährt für sich gegen die Uhr, ein selektiver Kampf über 42,5 Kilometer durch und um Grenoble. So spannend war die Tour schon lange nicht.

Rundkurs in Grenoble
Grenoble, größte Hochgebirgsstadt der Alpen, für mich ein Durchgangsort. Meine Lieblingsroute in die Provence geht über Basel, durch die Schweiz und vorbei am Genfer See. Über die A41 kommt man dann  schnell über Annecy und Chambéry nach Grenoble. Nur zum durchfahren ist die Stadt wahrlich zu schade, im letzten Jahr wurde darum dort eine Etappenübernachtung eingelegt. Auffallend ist die enorme Studentendichte (4 Unis mit ges. 60.000 Student/innen !) und die hohe Zahl italienischer Lokale. Im 20. Jahrhundert erlebte die Stadt zwischen den zwei Weltkriegen eine massive italienische Einwanderung, vor allem ins Stadtviertel Saint-Laurent, das "quartier italien".



Es lohnt sich, mit der Seilbahn, den "bulles de grenoble", auf die Bastille hochzufahren. Der Blick nach Süden, vorne das Stadtpanorama, dahinter die Alpenkette, ist großartig. Für die weitere Route Richtung Süden muß man sich dann entscheiden. Hat man es eilig fährt man die N75 (Route Hannibal) über den Col de Croix Haute und ist dann (relativ) schnell in Sisteron, der "Pforte zur Provence". Oder man läßt es ruhiger angehen und nimmt die N85, die berühmte Route Napoleon. Die beginnt direkt in Vizille,  da wo die Fahrer heute auf ihrem Rundkurs ihre Kehre zurück nach Grenoble machen. Führen sie stattdessen die Route Napoleon müßten sie ziemlich antreten, direkt nach Vizille geht es steil hoch. Nach nur wenigen Kilometern wird man dann aber belohnt. Zwei kleine Seen liegen malerisch vor grandioser Alpenkulisse.

Weindeuter an der Route Napoleon kurz
hinter Grenoble am Lac de Petichet (2007).
Verkostet wurde ein roter Vin de Savoie aus der Rebsorte Gamay:
Erfrischender Genuß auf der Etappe in den Süden.
Auf der N 85 geht es dann alpin weiter mit spektakulären Blicken auf die auch im Sommer schneebedeckten Gipfel des Alpenhauptkamms. Allmählich wird es flacher und wärmer, Architektur und Vegetation ändern sich und irgendwann taucht ein Straßenschild auf: "Alpes-de-Haute-Provence". Dann ist man auch auf dieser Strecke kurz vor Sisteron, mit seinem spektakulären Felsdurchbruch der Durance. Von da sind es noch 180 Kilometer bis Nizza. Auf der Strecke liegen Lavendelfelder, Weinberge und einer der größten und tiefsten Schluchten Europas, der Grand Canyon du Verdon, 21 Kilometer lang und bis zu 700 Meter tief. Allein das lohnt schon die Reise. Der Verdon fließt als grünes Band im Talgrund und mündet in den tükisfarbenen und erfrischenden Wassern des Lac de Sainte Croix.
Napoleon nutzte die Marschroute in umgekehrter Richtung. Von Elba kommend, landetet er am 1. März 1815 mit 1200 Mann an der französischen Küste und legte die 335 Kilometer über Grasse, Digne, Sisteron und Gap bis nach Grenoble in einem siebentägigen Gewaltmarsch zurück. Am 20. März 1815 zog er schon wieder als Kaiser in den Tuilerienpalast ein. Allerdings nur für hundert Tage, danach kam Waterloo. Die Geschichte endete bekanntlich auf St. Helena im Südatlantik.

Frühstück mit Schafherde an der Route Napoleon
irgendwo zwischen Grenoble und Gap (1990)

Auch der kleine rote Kadett war schon an der Route Napoleon.
Hier in Sisteron, der "Pforte zur Provence"

Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen

Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen



Grenoble hab ich nur mal in einem kleinen Kurzaufenthalt Anfangs der 90er besichtigt, eigentlich ist nichts davon hängen geblieben. Wir waren auf dem Rückweg vom ersten Austausch in Aniane und machten mit dem Kleinbus vielleicht ein oder zwei Stunden halt im Zentrum.
Ich glaube, ich war damals hauptsächlich damit beschäftigt, die Hauptpost zu suchen und mich dort wegen der französischen Briefmarken anzustellen. Diese sammelte ich schon zu DDR-Zeiten fleißig – schließlich manifestierte sich darin meine Sehnsucht nach Frankreich.
Ich hatte mit 13 angefangen, die französischen Marken zu sammeln und viel Taschengeld dort rein investiert, dann 1985 oder 1986 entdeckte ich in Ungarn eine Frankreich - Landkarte, kaufte sie und musste mich an der DDR Grenze dafür verantworten. Mein einziges Glück war, dass die Karte in einem ungarischen Verlag erschienen war, sonst hätte man mir sie wohl nicht wiedergegeben.
Auf dieser Karte unterstrich ich dann alle Orte, von denen ich ein Marke hatte – mit Schössern, Burgen, Kathedralen oder sonstigen Ansichten drauf. Das war in meinen jungen Jahren meine Sehnsuchtskarte… Oft saß ich dann bereits als Student darüber und betete, dass ich hoffentlich schnell 65 Jahre alt werde, um endlich dort hin reisen zu können…
Glücklicherweise ging das dann doch wesentlich zeitiger los mit den Reisen nach Frankreich.

1994 habe ich dann zumindest von weitem noch einmal auf Grenoble blicken können. Es war während einer Radtour, die auch über die beiden Voralpenmassive Chartreuse und Vercors führte. Von Chambery aus führte unsere Route zunächst über den Col de Granier nach St. Pierre d´ Entremont, von wo aus wir einen Abstecher zum wunderschönen Felsenkessel Cirque de St. Même machten. Natürlich haben wir auch das berühmte Kloster Grande Chartreuse besucht und dem von dort stammenden, aber in Voiron produzierten Likör gehuldigt. Die grüne Chartreuse gehört seither zu meinen absoluten Favoriten unter den Spirituosen.


Vom hübschen Städtchen St. Laurent du Pont ging es dann über eine abenteuerlich enge kleine Straße über den Col de la Charmette (1277 m) und weiter runter bis St. Égrève, einer Nachbarstadt von Grenoble. Kurz vor Grenoble (wir wollten mit den Rädern allerdings nicht ins Getümmel der Großstadt) überquerten wir die Isere und bei Sassenage ging es für uns dann gleich wieder lange bergauf nach Villard de Lans. Das Vercors hatte uns vor allem mit seinen Schluchten begeistert.
Ein Bergeinzelzeitfahren Grenoble – Sassenage – Engins - Lans en Vercors (und meinetwegen dann wieder runter nach Grenoble) wäre sicher die härtere Herausforderung zur heutigen recht „billigen“ Etappe gewesen. Aber wahrscheinlich will man den Fahrern jetzt auch nicht mehr zu viel zumuten…
Wir sind damals jedenfalls ungedopt, dafür aber mit vollem Camping – Gepäck auch gut über diese und andere Berge gekommen.
Diese 1994er Rad-Tour startete damals in Nyon am Genfer See, führte über Gex (Col de la Faucille) – Seyssel – Chambery in den hier angesprochenen Abschnitt und danach weiter über St. Antoine l´ Abbaye – Hauterives – Andance – das Massif du Pilat – Vienne – Cremieu – Perouges – Villars les Dombes – Belleville – Villié Morgon – Tramayes – Cluny – Solutré Pouilly – Fuissé – Crêches s.Saône – durch die Bresse – Louhans –Sellières – Poligny – Arbois – Pontarlier bis nach Neuchâtel, wo uns dann die Bahn wieder nach Hause brachte. Diese Tour, die ja auch durch einige Weinbaugebiete führte, war eine der schönsten Radtouren, die ich in Frankreich machte. Glücklicherweise musste ich dafür nicht einmal Urlaub nehmen, denn auch das gehörte damals mit zum Job…

Freitag, 22. Juli 2011

Etappe 19 • MODANE > ALPE D’HUEZ • 109,5 km


Taktische und körperliche Meisterleistung von Andy Schleck: 60km vor dem Ziel angreifen, alle restlichen Stars stehenlassen und im Alleingang dann den Col du Galibier hochfahren. Zur Fahrt ins Gelbe hat es ja leider nicht ganz gereicht. Hier mal die aktuellen Zeiten der Topfahrer vor der heutigen Etappe.

1 VOECKLER, Thomas (EUROPCAR) 79h 34' 06"
2 SCHLECK, Andy (LEOPARD-TREK) + 00' 15"
3 SCHLECK, Frank (LEOPARD-TREK) + 01' 08"
4 EVANS, Cadel (BMC RACING) + 01' 12"
5 CUNEGO, Damiano (LAMPRE - ISD) + 03' 46"
6 BASSO, Ivan (LIQUIGAS-CANNONDALE)
7 CONTADOR VELASCO, Alberto (SAXO BANK SUNGARD) + 04' 44"
8 SANCHEZ GONZALEZ, Samuel (EUSKALTEL-EUSKADI) + 05' 20"

Andy Schleck "geht" am Galibier
Heute geht es nochmal über den Galibier, von der anderen Seite. Das ist eigentlich der längere und schwierigere Anstieg, man kurvt endlos hoch. Ich bin die Strecke im letzten Jahr mit dem Auto runtergefahren, es dauert lange, bis man unten im Tal der Arc angekommen ist.
Nach dem Galibier setzt dann der HC Anstieg rauf nach Alpe d ´Huez den Schlußakkord. Auf der sehr kurzen Etappe ist meiner Meinung nach alles möglich. Ausbrüche, sowie auch Einbrüche der Top-Leute. Erinnert sei nur an die schon gestern geschilderte Leidensfahrt von Jan Ulrich im Jahr 1998 auf einer sehr ähnlichen Strecke, statt nach Alpe d `Huez gings nebenan zur Bergankunft damals nach Les Deux Alpes.
Wir drücken hier alle dem Andy Schleck die Daumen, vielleicht kann er ja nochmal 2 Minuetn herausfahren. Dann könnte es morgen beim Zeitfahren in Grenoble gegen Cadel Evans vielleicht reichen für den Toursieg. Zumindest in Gelb wollen wir ihn heute sehen, möglicherweise die letzte Chance für diese Jahr...


Einen Wein zur Tour hab ich nicht, mal sehen, vielleicht öffne ich heute nachmittag was spritzig-erfrischendes, falls es was zu feiern gibt. Damit das Savoir-vivre hier aber nicht zu kurz kommt ein kleiner Schlenker. Im Tal der Arc, ein paar Kilometer westlich vom Einstieg in den Galibier, liegt in der Nähe von Saint-Jean-de-Maurienne der Geburtsort des Opinel Messers. 1890 konstruierte der achtzehnjährige Joseph Opinel die Urform des einfachen und robusten Klappmessers. Seitdem kaum verändert, ist es heute rund um den Erdball bekannt und in millionenfacher Stückzahl verbreitet. Insbesondere in Frankreich ist das Opinel ein absoluter Klassiker der Alltagskultur und eine Designikone. Hier die schön gemachte Homepage (klick). In St-Jean-de-Maurienne gibt es ein Musée de l ´Opinel und in einem Kreisverkehr eine perfekt gemachte Messerskulptur (Foto unten).
Provence 2008: Das Opinel im Einsatz
Weindeuter am und mit Messer in Saint-Jean-de-Maurienne
Sommer 2010




Donnerstag, 21. Juli 2011

Etappe 18: PINEROLO - GALIBIER SERRE-CHEVALIER 200,5 km


Tag der Entscheidung ? Zumindest der härteste Tag mit drei HC - Anstiegen. Und mit 2645 Höhenmetern die höchste Bergankunft in der Geschichte der Tour. Zwar wurde der Galibier schon des öfteren überquert, zum ersten Mal vor geanau 100 Jahren, Etappenziel war er aber bisher noch nie.
Der Galibier, das Monster: "Neben dem Galibier erblassen alle anderen - egal ob Col du Bayard oder Tourmalet - als kleine Hügel", schreibt Tour Gründer Henri Desgrange in seiner Zeitschrift "L’Auto" 1911.
Viele Jahre später, 1998, war der Galibier für Jan Ulrich der Anfang vom Ende: Zu Beginn der Etappe ist er noch mit über einer Minute Vorsprung Führender im Gesamtklassement. Bei Regenwetter dann der Einbruch und Marco "il pirata" Pantani zieht am Galibier an ihm vorbei. Beim Schlußanstieg nach Les Deux Alpes ist dann endgültig Schluß. Vom Hungerast gezeichnet, schleppt Ulle sich abgeschlagen mit einem Rückstand von 8:57 Minuten hinter Tagessieger Pantani hinauf ins Ziel. Pantani übernimmt das Gelbe Trikot und gewinnt die Tour ´98.


400.000 Menschen werden heute am Schlußanstieg erwartet, die Passstraße wurde für Autos bereits am Mittwoch gesperrt: Wg. Überfüllung geschlossen. Fällt dort heute die (Vor)entscheidung der Tour 2011 ? Evans muß nicht unbedingt und mit letzter Konsequenz attakieren, sondern nur seinen Zeitstatus halten. Falls Voeckler heute nicht mithalten kann, fällt ihm das Gelbe einfach zu. Contador würde es reichen, ein paar Sekunden gutzumachen und sich ansonsten auf das Zeitfahren am Samstag zu verlassen. Unter Druck stehen eigentlich nur die Schlecks. Die wollten ja als Doppelspitze die Rivalen abwechselnd mit Attacken zermürben. Bis jetzt haben die sich aber durch Unentschlossenheit eher selber neutralisiert: "Einer wird sich opfern müssen".

Auffahrt von Briancon zum Col du Lautaret.
Da ist es noch relativ flach...
Der Anstieg zum Galibier beginnt eigentlich direkt hinter der Festungsstadt Briancon. Ich bin die Stecke im letzten Jahr mit dem Auto gefahren. Durch das Tal der Serre-Chevalier geht es stetig bergauf, bis nach 30 Kilometern der Col du Lautaret auf 2059 M. erreicht ist. Da erinnern das ganze Jahr über große Metallrennräder an die Tour de France. Für Pflanzenfreunde wurde dort auch ein Jardin Alpin angelegt. Nach dem Abzweig zum Galibier geht es dann wirklich steil hoch, auf nur 8 Kilometern müssen knapp 600 Höhenmeter genommen werden. Bei herrlichem Wetter im letzten August waren da jede Menge Hobbyfahrer unterwegs. Oben dann ein irrer Weitblick, scharfgezackte Gipfel unter tiefblauem Himmel, am Horizont die weiße Kuppe des Montblanc. 

Weindeuter mit Rennrad


Auffahrt zur Paßhöhe: Schafe haben da heute keine Chance, da ist alles voller Menschen und Autos
Die Paßhöhe: Blick nach Norden, am Horizont der Montblanc




Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen


Man kann nicht alles haben, auch noch nicht überall selbst gewesen sein. Auch als Frankreichliebhaber hat man so seine Ecken, die man sich von Jahr zu Jahr aufspart. Das sind bei mir weite Teile der französischen Alpen.
Da geht es mir wie seinerzeit als Student in Dresden: Die berühmten Museen im Zwinger kannst du später immer noch mal machen, erstmal in diese Sonderausstellung, in jenes kleine liebevoll gestaltete Heimatmuseum dreißig Kilometer draußen in der Pampa... In die Semperoper kommst du immer noch, aber das Konzert dieser auf dem Index der Stasi stehenden Band darfst du nicht verpassen...
Am Ende war ich bislang weder bei den Alten Meistern noch in der Semperoper. 
Und eben bislang auch nicht auf den Abschnitten der letzten großen Etappen - man muss sich noch Ziele und Träume lassen. Und der Sprit wird irgendwann eh so teuer, dass es für die Fahrt in die Pyrenäen nicht mehr reicht. Vielleicht dann doch in die Alpen und warum auch nicht wieder per Rad? Bei diesem Ziel brauche ich die französische radfahrerfeindliche Bahn nicht, da könnte man ja auch den Zug Basel - Genf nehmen. Solang der Baseler Nachtzug noch fährt und bezahlbar ist.
Allerdings müßte ich dafür erst mal wieder im Harz trainieren... Zu alt für Galibier und Konsorten fühle ich mich noch nicht, aber zu wenig im Training für diese großen Berge inzwischen schon. Das ist der Nachteil, seit 1999 das Rad gegen die Kombination Auto + Bergausrüstung getauscht zu haben...

In dem Sinne lass ich hier ein paar Tage unkommentiert, bevor ich mich gegen Schluß noch mal einklinke.

Terra incognita für den Priorat-Hammer:
Briancon mit beeindruckender Festungsanlage.
Da kommt die Tour vor dem Schlußanstieg auf
den Galibier heute nochmal durch.

Mittwoch, 20. Juli 2011

Da gehts heute hoch...

...ich hatte leider letztes Jahr kein Rad dabei, nur das Auto.




Etappe 17: GAP - PINEROLO 179 km


Also so wird das nix mit den fröhlichen Luxemburgern... Können die Schlecks etwa nicht bergab fahren ? Mußte man denken, wenn man sah, wie vor allem Andy gestern kurz vor dem Ziel in Gap den Berg runtergeeiert ist. Außerdem sollten die sich mal entscheiden, wer von den beiden denn auf Sieg fährt. Auch heute gibt es nach der Steigung wieder eine sehr lange Abfahrt (klick). Und die Wetteraussichten sind für den westlichen Alpenraum nicht so gut, es kann wieder glitschig werden...
Die Strecke von Gap das Durancetal hoch bin ich genau vor einem Jahr mit dem Auto gefahren. Man erlebt diese Straße sehr unterschiedlich, je nachdem in welche Richtung man unterwegs ist. Von Nord nach Süd wird es immer wärmer, man fährt den Farben, dem Licht und den Düften der Provence entgegen. Von Süd nach Nord dagegen macht sich in der Regel leichte Depression breit, es ist ja der Rückweg, irgendwie ein Abschied vom Sommer, die Alpen bäumen sich auf.

Brücke über den Serre Poncon, genau da wird heute auch gefahren

Dabei gibt es auf der Etappe einiges zu sehen. Ich hoffe es ist nicht so ein Sch...wetter wie gestern. Es geht über den Lac de Serre Poncon (größter künstlich angelegter See Europas), vorbei an der Felsenstadt Embrun bis rauf nach Briancon in 1300 Metern Höhe. Absolut beeindruckend die Cité Vauban (klick) mit ihren dicken Mauern und Falltoren. Innerhalb jede Menge Restaurants, die die typischen kräftigen, gerne von Käse dominierten Gerichte Savoyens anbieten.


Alle möglichen Arten von Kartoffel-, Wurst-, Käsekombinationen sind die sättigende Kost für Bergfreunde. Die Höhenluft macht hungrig. Wir waren im Passé Simple, es gab Raclette "à l ´ancienne" mit kleinem Schmelzöfchen auf dem Tisch. Dazu schmeckte ein frischer Weißwein aus Savoyen. Ich hab diese Jahr leider keinen, die sind auch hier nicht in jeder Weinhandlung so ohne weiteres zu bekommen. Im letzten Jahr gab es den Apremont "Gastronomique" Vin de Savoie 2009 von Jean Perrier et Fils.

Käsekost, in der Mitte meine Tartiflette à la maison:
Kartoffelscheiben, zerlaufener Reblochon,
gerösteter Schinken und Zwiebeln

Man könnte heute eigentlich auch einen Italiener aus dem Piemont trinken, die Tour macht nämlich bei Briancon eine Schlenker über die nahe Grenze und endet heute in Pinerolo westlich von Turin. Von dort kommend bin ich vor 20 Jahren auch schon mal die Strecke nach Briancon gefahren. Dann natürlich weiter ans Mittelmeer, allerdings eine komplizierte Wegführung über Barcelonette, den Col d´Allos, vorbei am Grand Canyon du Verdon etc. Das Ganze übrigens nicht mit dem kleinen roten Kadett, sondern einem Diesel-Benz, 1,6 Tonnen mit 60 PS. An den vielen Steigungen brauchte man Geduld...

Kulinarische Rast vor 20 Jahren an der
heutigen Etappenstrecke kurz vor Briancon:

Der Genießer und der Weindeuter am Klapptisch



Dienstag, 19. Juli 2011

Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen

Um den Bogen von Montpellier zur heutigen Etappe zu schlagen, kann ich leicht auf eine gestern gemachte Bemerkung zurück greifen – ich erwähnte gestern die DFJW – Tagung in Séte, auf der ich im Januar 1991 versprach, französisch zu lernen…
Mein 2. Teil (nach einem Sprachaustausch im April in der Dübener Heide) des Französisch – Intensivsprachkurses führte mich im November 1991 nach Avignon an die Sprachschule CELA. Und nicht nur die Sprache habe ich dort gelernt, auch einen Kurs im Weinverkosten gab es. Zwar wusste ich auch schon zuvor, dass man Farbe, Nase und Gaumen unterscheidet, aber sowohl das richtige Schlürfen als auch das Bewerten und Erkennen von Qualität wurde hier noch mal eindringlich gelehrt. Dazu hatte unsere Sprachlehrerin sich Material von der Weinuniversität Suze – La Rousse (und schon sind wir auf der heutigen Etappe!) besorgt, welches wir im Vorfeld „beackerten“ – die Sprachschule hatte dann auch gemeinsam mit der Weinuniversität eine Tagesexkursion organisiert, bei der das erlernte Weinvokabular und die Verkostungstechnik auch in der Praxis geübt wurde. Stationen waren hier Châteauneuf du Pape und Vaison la Romaine, durch welche die Radler heute nicht müssen.

L'UNIVERSITÉ DU VIN in Suze - La Rousse
Dafür fahren sie durch die erst vor wenigen Jahren „beförderte“ AOC Vinsobres. Zuvor hatte Vinsobres das recht, seinen Ortsnamen bei den Weinen der AOC Côtes du Rhône Villages hinzuzufügen, jetzt ist es ein eigenständiger Cru geworden. Ich habe auch noch 2005er Vinsobres im Keller liegen, der erste offizielle Jahrgang dieser AOC.
In Nyons komme ich dann auf die Strecke meiner 1998er Radtour, die ich ebenso in Montpellier startete – hierher kam ich aber erst auf dem Rückweg aus den Alpen. Die Radler würden mir also heute virtuell zwischen Nyons und Serres entgegen kommen. Ich hatte allerdings in den Schluchten der Eygues mehr Zeit als die Profis heute, um die dortig lebenden Geier zu beobachten.

Über mein Handicap auf der dortigen Tour und Nyons als „Gesundungsort“ hatte ich letztes Jahr bereits hier geschrieben, ich will also die Geschichte nicht erneut aufwärmen.
Dort habe ich auch übrigens einen Vinsobres – Wein besprochen, den man auch heute wieder gut dazu trinken könnte.

Etappe 16: SAINT-PAUL-TROIS-CHATEAUX - GAP 162,5 km


Es geht nach Osten, in Richtung Alpen. Abgefahren wird heute in Saint - Paul - Trois - Chateaux, ein schöner alter (Wein)ort an der Rhone - übrigens auch ein Zentrum des provencalischen Trüffelhandels. Wenn nur nicht direkt gegenüber auf der anderen Flußseite der Atomkomplex Tricastin liegen würde ! Da gibt es schon mal Störfälle, erst im Juli 2008 kam es zu einer Uran - Kontamination des Bodens. Die Weine von dort, AOC Tricastin, litten deswegen lange an einem Imageproblem ("l'arôme à l'atome") . Deshalb wurde die AOC im Jahr 2010 umbenannt, die Weine der Region firmieren jetzt unter der Bezeichnung Grignan-les Adhémar.

"l'arôme à l'atome"

Table d´Orientation
Weiter südlich schließt sich die AOC Côtes du Ventoux an. Den weißen Riesen der Provence kann man zu Beginn der heutigen Strecke sicher auch sehen. Da tummeln sich seit einigen Jahren Winzer, die es geschafft haben, diesem Gebiet innerhalb der Rhone-Weine eine eigene Identität und einen Qualitätsschub zu geben (z.Bsp. Sebastien Vincenti mit seiner Domsine Fondreche). Ich hab aber seit gestern einen anderen offen, der wird heute zur Etappe weiter verkostet:
  • Clos de Trias 2007 (70 % Grenache, der Rest Syrah, Carignan, Cinsault / 14,5% / 9,80€) Ein neues Projekt eines Norwegers, Even Bakke. Der war erst in seiner Heimat Sommelier, dann 14 Jahre Weinmacher für Betriebe im Napa Valley / Kalifornien (u.a. Helen Turley). Eine Französin aus der Champagne hat ihm dann wohl wieder Lust auf das alte Europa gemacht, zusammen reaktivierten sie 2007 ein heruntergekommenes Weingut am Mont Ventoux, mittlerweile biodynamisch aufwändig regeneriert. Die Stichworte: Alte Reben, Handlese, Spontangärung, minimale Schwefelung, schonender Holzeinsatz. 2007 ist der erste Jahrgang.
    Der Wein spricht Süden. Appetitlich duftende Fruchtnase, warme, reife, süße Brombeere, im Mund reichhaltig, wärmend, der Alkohol hat (natürlich) seinen Auftritt. Der Wein hat durchaus "Schmackes", aber auch die Zwischentöne kommen nicht zu kurz. Entwickelt am Gaumen seidige Feinheit, keine eindimensionale, sattmachende Fruchtbombe, schmeckt nach mehr als er kostet: "Lecker".


Im weiteren Verlauf der heutigen Strecke liegt dann die AOC Vinsobres und die Stadt Nyons, bekannt für ihre Oliven, etwas nördlich in der Drome liegt die AOC Châtillon – en – Diois.
Die Etappe läuft immer weiter östlich (und bergauf) und quert auf dem Weg nach Gap zwei klassiche Nord-Süd Routen durch die Seealpen, die Route Hannibal (N 75) und die Route Napoleon N 85 (Bericht klick hier).
Die bin ich beide in beide Richtungen schon öfter gefahren. Das sind sehr schöne Straßen mit herrlichen Ausblicken, lohnende Wege, um in die Provence zu fahren. Da wächst zwar kein Wein mehr, aber in dieser wenig touristisierten Ecke zwischen Provence und Hochgebirge geht es, auch kulinarisch, sehr angenehm zu.
Würde man sich von hier aus nördlich orientieren wäre man schnell in Grenoble, wo ja am Samstag das möglicherweise entscheidende Einzelzeitfahren stattfindet. Doch die Tour hat Größeres vor. Sie fährt weiter ins Hochgebirge und stemmt sich einigen Steigungen der Ehrenkategorie entgegen...

Einfache Kulinarik zwischen Provence und Hochgebirge:
Abschluß eines einfachen Menüs in
Laragne - Monteglin an der Route Hannibal 2007

Felsige Landmarke an der Route Hannibal,
ganz in der Nähe der heutigen Etappe:
La Rochette, gesehen aus der Frontscheibe des roten Kadett



Montag, 18. Juli 2011

Ruhetagsgedanken...

Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen


Montpellier im Januar 1991 - ich landete auf dem Flughafen gemeinsam mit vielen anderen Leuten, die ihrerzeit alle im deutsch-französischen Jugendaustausch tätig waren. Es gab eine mehrtätige Tagung im nahen Séte, ich ging an meinem Geburtstag ins Mittelmeer - habe aber überlebt und wurde gefeiert. U.a. gab des damals hochwertigen Champagner, den ich noch nicht wirklich einordnen konnte, ich versprach, ein Jahr später die französische Sprache erlernt zu haben - und das Schicksal nahm seinen Lauf. Im Anschluss traf ich mich mit Angel Sario, um gemeinsam den ersten Austausch vorzubereiten, der keine zwei Monate später schon Geschichte war.
Erstes Besuchen von Montpelliers Altstadt, erstes Kennenlernen der Umgebung - Aniane hätte kein schönerer Standort sein können, erste Weine des Midi, u.a. Granoupiac, Aupilhac, später auch l`Aiguelière und noch später nach zweijähriger Warteliste auch erste Weine vom Mas Jullien (12 Flaschen des 1994er Les Depierre, damals unter die 100 besten Weine der Welt vom "Feinschmecker" gewählt...) Ich war mit Wanderrucksack da, mit Kletterseil, mit eigenem Fahrrad und geliehenen Rädern in der Gegend unterwegs, habe verschiedene Höhlen erforscht und bin im Wildwasser des l´Herault gekentert, bin per TGV runtergebraust und mit dem Vereinskleinbus, seit 1998 auch mit eigenem PKW, wieder und wieder. Und bin immer noch gern dort, immer noch mit Angel befreundet, kenne noch immer alle möglichen Geheimtipps und alles, was irgendwie interessant ist, egal ob es mit Wein zu tun hat oder nicht. Die Umgebung Montpelliers wurde meine zweite Heimat, lange bevor aus mir der Priorat - Hammer wurde. Den Weindeuter hätte ich dort definitiv auch treffen müssen, beim Kisten einladen bei Gauby, bei Borie de Maurel, bei Ollivier Jullien - und wie sie alle heißen.

Sète mit seinem charakteristischen Hügel:
Die Geburts- und Heimatstadt von Georges Brassens, dem großen  Poeten und Sänger. Der hatte sich ja in einem Chanson gewünscht, am Strand von Sète begraben zu werden
("Supplique pour être enterré à la plage de Sète")
Torsten ging hier im Januar ´91 baden...




Durchs Midi: Roussillon und Languedoc

Heute ist Ruhetag, endlich. Da ist mal Zeit, die Eindrücke der vergangenen Tage zu sammeln. Ich finde die Tour in diesem Jahr spannend. Schon einige Bergetappen, Bergankünfte etc., und es gibt noch gar keinen eindeutigen Favoriten. Die Kandidaten belauern sich, das konnte man schön sehen am Aufstieg auf das Plateau de Beille. Die Schlecks, egal ob Frank oder Andy, müssen aber in den Alpen ran und da einen deutlichen Vorsprung vor Evans und Contador rausfahren. Die sind nämlich beide gute Zeitfahrer und könnten am Samstag in Grenoble trumpfen. Und was ist mit dem großartigen Thomas Veockler ? Der kommt zwar mit, scheint mir aber am Limit zu fahren. Aber wer weiß, Armstrong hat ihm ja angeblich einen Podiumsplatz getwittert...

Roter Kadett vor 20 Jahren, unermüdlich drehte er seine (letzte) große Schleife durch die Weingebiete des Midi 
Die Strecke von den Pyrenäen raus durch das Roussillon und durchs Languedoc bin ich auch schon in unterschiedlichen Richtungen gefahren, allerdings mit Autos, auch mit dem alten roten Kadett, der in Lourdes durch Heiliges Wasser den Segen der Gottesmutter empfangen hatte (klick hier). Die Weine zu Füßen der Pyrenäen in Richtung Mittelmeer sind eine Klasse für sich. Unter dem Dach der  AOC Roussillon werkeln  Genossenschaften, aber auch eine Riege von sehr individuell-handwerklich arbeitenden Weintüftlern. Immer wieder auch Neueinsteiger, wie die erst kürzlich beim Weindeuter vorgestellte Domaine des Enfant (klick) mit absolut ausgereizten Qualitäten. Ein Qualitätspionier und immer noch Schrittmacher für die Weine des Roussillon weltweit ist Gérard Gauby in Calce. Nach allem, was über ihn zu erfahren ist, ist Gauby kein Routinewinzer, sondern ein Suchender, ein Experimentator. Er hat komplett auf biodynamischen Anbau umgestellt. Die Aromatik seiner Weine geht seit einigen Jahren weg von Überkonzentration, Holz, und süßem Schmelz. Was steht stattdessen auf der Geschmacksagenda ?

Hier wachsen sie, die Grenache-Reben von Gauby.
Im Hintergrund der Pic du Canigou
  • Les Calcinaires 2009 Domaine Gauby (Grenache, Carignan, Mourvedre, Syrah /13,5% / ) Gauby macht nur drei Rote, das Flagschiff Muntada, den Vieilles Vignes und als Einstiegsroten den Les Calcinaires. Wobei Einstieg hier knapp 14€ bedeutet, was z.Bsp. bei Pierre Clavel schon mit dem Copa Santa die Spitze markiert. Der Wein ist von großer Tiefe und Dichte. Schon farblich völlig undurchdringlich, tiefe dunkle Tinte. Die Nase ist voll dunkler Frucht, dazu deutlich frisch gemahlener schwarzer Pfeffer. Sehr pur, kein Rauch, kein Toast, keine lockendes Vanilleschoko. Im Mund kommt er zunächst fast schmeichelnd, täuscht etwas Süße an,  um aber dann doch einen pikant - herben Akzent zu setzen. Ist zwar etwas abgedroschen, aber er ist ein bißchen die Faust im Samthandschuh. Im Abgang schöne lange Zartbitternote. Am zweiten Tag dann etwas Uhu, nicht der Vogel, sondern der Kleber. Was nach dem Schwenken des Glases aber immer wieder verfliegt, dann aber wiederkommt. Dazu dann auch was speckiges, animalisches. Ein Weincharakterkopf, der macht, was er will. Speziell. Ein Top-Wein, den man in 10 Jahren nochmal pobieren sollte.

Wächst aus dem Fels: Katharerburg Peyrepertuse
Vom Roussillon gehts es vorbei an den Kartharerburgen ins nördlich gelegene Corbieres. Wildromantisch, dünnbesiedelt, Heimat der Wildschweine, die sich in der heißen Strauchheide tummeln. Auch dort jede Menge interessante, individuelle Winzer. Am Nordrand der Corbieres, von Limoux aus startete gestern die Etappe. Der Ort ist ein Nest für Weißwein, auch schäumenden Crémant de Limoux, hauptsächlich bereitet aus Chardonnay. Die Radroute schlängelte sich dann weiter durch viele weitere Weinbauzonen des Languedoc. Gequert wurden, immer in nordöstlicher Richtung, zunächst das Minervois (bekannte Winzer hier z.Bsp. die Chabberts (Clos de l´ Escandil), dann St.Chinian ( z.Bsp. Domaine Guy Moulinier) und schließlich Faugeres (Jean-Michel Alquier).

Weinurlaub 2005: Weindeuter-Verkostung im Minervois


Es folgt dann die weite hügelige Zone bis Montpellier, überall Reben, soweit das Auge reicht. Am nördlichen Rand der Küstenebene, an den Ausläufern der Cevennen, liegen die Côteaux du Languedoc. Überall agieren hier qualitätshungrige Winzer, Alteingesessene wie Aime Guibert mit seinem Daumas Gassac, Quereinsteiger, Newcomer. Bekannte Qualitätsnester sind hier u.a. Montpeyroux, Aniane und Jonquières. Ein Name ist prägend geworden für die Region: Olivier Jullien. Mit sein Mas Jullien Weinen hat er ähnliche Schrittmacherfunktion wie Gauby im Roussillon. 
  • Les Etats d ´Amme (Grenache, Cinsault, Syrah, Carignan / 14% / 18€) Ebenfalls sein roter Einsteiger, ebenfalls schon in der gehobenen Preisklasse, übersetzt die "Seelenzustände". Einen Tick heller als der Gauby, aber immer noch tiefrot. In der Nase zunächst ein Stinker, da wurde was Lebendiges aus der Flasche gelassen, quasi ein "Weinfurz". Dann ebenfalls viel dunkelwürizge Frucht. Im Mund reiten die Seelenzustände Attacke, eher im Zustand der Manie. Überhaupt kein fruchtweicher Kuschler, der sich anschmiegt und verwöhnt. Lakritz, Tannin, fordernde Aromatik. Braucht Zeit... 


Zwei Klassiker aus dem Süden im Direktvergleich: Gauby und Jullien
Ich sah den Gauby etwas weiter vorne...


Zum gleichen Komplex auch hier der Priorat-Hammer (klick)

Samstag, 16. Juli 2011

Etappe 15: LIMOUX > MONTPELLIER 193 km

Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen



Reben über Reben wird es heute geben.
An und für sich kommen wir heute von einem Weinbaugebiet in das Nächste, es beginnt mit Limoux, wo es hervorragende trockene aber auch süße Schaumweine gibt, aber auch grandiose trockene Weißweine aus Chardonnay und Mauzac. Und im Laufe der Zeit wurden die Rotweine immer besser, lange Jahre durften sie nur als Vin de Pays etikettiert werden, heute gibt es die AOC Limoux auch für Rotweine. Limoux ist dabei ein Sammelbecken der Traubensorten, ich habe schon interessante Rote aus Merlot, aus Cabernet Sauvignon, aus den Sorten des Midi, aber sogar auch aus Pinot Noir im Glas gehabt.
Vorreiter ist hier die Cave de Sieur d´ Arques, eine der besten Genossenschaften Frankreichs mit extrem hohem Qualitätsstandard. Der Besuch des Verkaufssaales mit angeschlossener Probierstube und ebenso kompetentem wie freundlichem Personal ist ein Muss für den vielseitigen Weinfreund.
Mein Problem ist oft, dass ich gar nicht weiß, was ich alles mitnehmen sollte, wenn ich dort halt mache. Wie gesagt, die Palette hier ist umfangreich und sehr zu empfehlen. Die Weißen aus der Serie der 4 Terroirs brauchen jedoch einige Jahre Reifezeit, ich habe beste Erfahrungen mit Weinen gemacht, die mindestens 5 Jahre alt waren, mein Lieblingscru ist hier der Haute Vallée.

Carcassonne, Mittelalter pur, ringsum Reben
Auch um das mittelalterliche Städtchen Carcassonne finden wir ringsum Weinreben. Vorsicht, in der Saison ist die Cité extrem überlaufen. Witzig, aber nichts für schwache Nerven ist das Spukhaus – maison hantée. Hier wird mit technischen Tricks und echten Schauspielern geschaut, wo das eigene Grusel-Limit ist. Empfehlenswert außerhalb der Saison und dann abends (ich hatte mir das mal kurz vor Silvester gegönnt, echt zu empfehlen, wenn man nicht herzkrank oder überängstlich ist…).
Kurze Zeit später fahren wir dann durch das Minervois, eine der für mich spannendsten Appellationen des Midi. Viele richtig gute Erzeuger machen hier sehr schöne Weine. Meine persönlichen Favoriten sind Borie de Maurel, Château d´ Oupia und Gilles Chabbert (Clos de l´ Escandil). Auch Saint Chinian, welches danach durchfahren wird, hat recht gute Erzeuger, stand aber nie in meinem unmittelbaren Fokus. Dann sind wir kurz im Faugeres und danach landen wir im Rebenmeer der Côteaux du Languedoc.

Im Minervois, Blick auf La Liviniere
Borie de Maurel präsentiert stolz seine Weine. Rechts im Bild ist nicht der Priorathammer, sondern der Weindeuter zu sehen.

Ein Klassiker nahe des ebenso sehr schön zu besichtigenden alten Städtchens Pezénas ist die Prieure de Saint Jean de Bebian. Hier wurden bereits zu Zeiten gute Weine gemacht, wo anderswo im Languedoc noch die Masse dominierte. Die an Châteauneuf-du Pape erinnernden Weine sind sehr komplex und lange lagerfähig. Ich sollte noch einen 1995er im Keller haben… Leider wurden die Weine im Laufe der Jahre immer teurer, so dass ich mich irgendwann zurückgezogen habe. Ich habe aber auch noch etliches davon in der stillen Reserve.
Weniger angetan war ich von den Weinen der Abtei von Valmagne. Das Ensemble ist zwar schön zu besichtigen, aber weintechnisch ist das allenfalls Durchschnitt. Richtig empfehlenswert so kurz vorm Ziel ist dann noch das Château d´ Engarran, deren Weine sich auch immer mal wieder in rot und weiß in meinem Keller finden.
Ich persönlich wäre noch etwas mehr durch Hinterland gefahren, aber ich kann die Fahrer schon verstehen, sie wollen schnellstens Richtung Alpen. Vor allem Thomas Voeckler im Gelben, dass er sich redlich verdient hat.
Und in Montpellier gibt es ja auch so viel zu sehen, dass der Ruhetag nicht ausreichend sein dürfte…
Für mich ist diese ganze Ecke hier fast so etwas wie ein Heimspiel, ich muss nur aufpassen, dass ich hier nicht den Anschluss verliere, es gäbe vermutlich viel zu viele interessante Stopps hier für mich. Sonst ist die Tour schon in den Alpen und ich "perdú" im Languedoc...