Freitag, 5. Juli 2013

7. ETAPPE - Freitag, 5. Juli 2013 - Montpellier > Albi - 205,5 km



Sprintankunft in Montpellier, André Greipel hat es gestern gemacht. Sprinten können sie, die Allemands. Aber wer kommt am schnellsten über den Berg? Nun, diese Frage wird auch heute (noch) nicht beantwortet werden. Dazu bedarf es noch einiger Kilometer hinein in die Pyrenäen. Heute geht es erst einmal von Montpellier aus durch durch das Languedoc. Zur (Wein)orientierung eine Übersicht:



Wenn man die "Autoroute du Soleil" in Avignon verlässt, fährt man über die A9 von dort bis zur spanischen Grenze 300 Kilometer durch Weinfelder. Vom rechten Ufer der Rhône bis an den Fuß der Pyrenäen reicht das größte zusammenhängende Weinbaugebiet der Welt, das Languedoc-Roussillon: 15 Millionen Hektoliter Wein ! Jedes Jahr aufs Neue produziert. Die Masse stammt von Rebstöcken in den Ebenen, die in den sonnensatten Sommern kräftig tragen, verarbeitet von Genossenschaften und großen Weinkonzernen. Hier werden bedeutende Mengen des europäischen Weinsees produziert, Massenerzeugung total. Ein Weinsee, den in dieser Menge niemand braucht, den keiner leertrinken kann.

Dieses Foto hab ich da unten mal gemacht:
Kein Benzinkutscher, der sich am Mittag eine kleine
Erfrischung gönnt, sondern  ein Weintanker

Die Weinbauern dort, meist in großen Genossenschaften organisiert, haben seit 100 Jahren den täglichen Weinkonsum der Franzosen sichergestellt und damit einen verdienstvollen Beitrag zur Ernährung der Bevölkerung in den industriellen Zentren des Nordens geleistet. Seit 30 Jahren ist die Massenerzeugung aber in der Krise, obwohl die Überproduktion schon durch Flächenreduktion auf 250.000 Hektar abgebaut wurde.
Während viele kleinere Winzer auf Klasse statt Masse setzen und mittlerweile jede Menge gesuchte (Kult)weine produzieren, die mehr oder weniger problemlos nachgefragt werden, müssen sich die Massenerzeuger etwas einfallen lassen. Heraus kommen natürlich bestenfalls Weine, die keinen besonderen Terroiranspruch haben, die Zielgruppe sind hier auch gar nicht die "Weintheoretiker". Hier mal ein schönes Beispiel zu dem man sagen muß: Alles richtig gemacht. Originelle Aufmachung, Schraubverschluß, frische, saubere, nicht übertriebene Fruchtaromatik, Alkoholgehalt moderat.






Eine andere Liga sind natürlich die schon erwähnten individuellen Winzer. Sie haben die Anfang der achtziger Jahre einsetzende Languedoc - Qualitätsoffensive getragen. Die Trendsetzer waren Um- und Einsteiger, Tüftler, Individualisten. Rebflächen, vor allem an den schwer zu bearbeitenden Hängen mit kargen flachgründigen Oberböden, konnten günstig übernommen werden. Namen aus dieser Zeit sind z.Bsp. Daumas Gassac, Mas Jullien, Saint-Jean de Bébian. Die Umbaudynamik hält bis heute an, immer noch erfüllen sich hier Newcomer ihren Winzertraum. Exemplarisch sei hier nur die Domaine Virgile Joly aus Saint Saturnin am Herault genannt. Die (Gründungs)geschichte und damit auch viel über das Winzerleben im Languedoc ist in einem schönen Buch von Patrick Moon beschrieben "Virgile's Vineyard: A Year in the Languedoc Wine Country" (klick).




Als Begründer der Erneuerungbewegung kann man hier sicher Aimé Guibert mit seinem Daumas Gassac in Aniane anführen, der deshalb hier nochmal herausgehoben sein soll. 1978 war der erste Jahrgang, der auf Mas de Daumas Gassac produziert wurde, unter Beratung des damaligen "Star-Oenologen" Emile Peynaud aus Bordeaux, einer Art Vorgänger von Michel Rolland. Anfang der 80er begann die Weinszene auf Daumas Gassac aufmerksam zu werden. Gutes Marketing kam dazu, zudem der Nimbus des Newcomers aus einer Underdog-Region. Der Gault Millau titulierte den Gassac gar als „Lafite des Südens". Wie auch immer, alles was aus dem Languedoc danach kam und kommt, steht durchaus auf den Schultern von Aimé Guibert.
Der ist übrigens bis heute ein kantig-knorriger Streiter für den Wein als regional verankertes Naturprodukt. Im Jahr 2000 erlangte Aniane Bekanntheit, als die Mondavis hier ein Weingut etablieren wollten. In der Bevölkerung formierte sich Widerstand, die Kalifornier zogen sich zurück. Anzuschauen ist das in Jonathan Nossiter herrlicher Dokumentation Mondovino. Gleich am Anfang gibt es da ein Inetrview mit einem grantelndem Aimé Guibert: "le vin est mort..." Der Trailer bei you-tube hier (klick). Ein Großteil (80%) der Weinberge ist mit alten, ungeclonten Cabernets bepflanzt - diese inzwischen schon 40 Jahre alten Reben erzeugen auf natürliche Weise nicht mehr als 35hl/ha. Daneben gibt es Parzellen mit Malbec, Merlot, Cabernet Franc, Syrah und vielen weiteren Rebsorten. Das Mikroklima ist kühl inmitten des heißen Languedoc, angestrebt wird nicht der opulent-fruchtige Stil, man setzt eher auf Feinheit und Komplexität. Die Weine gelten als sehr gut lagerfähig.






Verkostet wurde im letzten Jahr mal ein ´95er, der hatte sich ziemlich gut gehalten. Nach Lüftung schöne rauchige Nase, entwickelt, aber noch voller Kraft. Dunkel, eingelegte Früchte - dabei nicht aufdringlich, bewahrte Anstand und hatte Manieren. Gut mundfüllend, kein dicker Klopfer, fein mit mürbe gewordenen Gerbstoffen - schöner, die Sinne anregender und beruhigender Genuß.

Ganz in der Nähe von Aniane, im schon eben erwähnten Saint Saturnin, habe ich 1996 mal zwei Wochen verbracht. Das liegt zwischen Clermont l ´Herault und Montpeyroux schon an den südlichen Ausläufern der Cevennen. Es war Ende September, die Ernte war im vollem Gange. Laute Lesemaschinen sausten durch die Reben, Trecker mit großen Anhängern transportierten die Trauben tonnenweise über die kurvigen Landstraßen. Ein Geruch von Most war in der Luft.



Das Haus lag mitten im Dorf, ganz eng und verwinkelt, dreimal so hoch wie breit, die Rückfront war Teil der Rempart, der alten Ringbefestigung des Dorfes. Das Dach war teilweise für eine Terrasse geöffnet. Von da hatte man einen schönen Blick auf die Rundschindeldächer, den quadratischen Kirchturm mit seinem offenen Glockengestell und in der Ferne lag die weite weinsatte Ebene. Auf der funkelten am Abend die Lichter der umliegenden Dörfer, am Himmel stand der Orion, im Ohr das Brüllen der Zikaden...
Am Horizont nach Süden hin eine kleine Berglinie, kurz dahinter begann schon die Küste bei der Hafenstadt Sete. Da ging die Tour ja im letzten Jahr durch, auf dem charakteristischen Hügel, dem Mont St. Clair, wurde sogar eine kleine Bergwertung abgenommen.



Es ist eine großartige Stadt, praktisch an allen Seiten vom Wasser umgeben. Die Geburts- und Heimatstadt von Georges Brassens, dem großen Poeten und Sänger. Der hatte sich ja in einem Chanson gewünscht, am Strand von Sète begraben zu werden ("Supplique pour être enterré à la plage de Sète"). An seinem wirklichen Grab, nicht auf dem Cimetiére Marin, sondern auf dem für die Armen der Stadt, direkt am Etang de Thau, sind wir damals auch gewesen.
Ansonsten gab es Fahrten in das wildromantische Hinterland, zu den Cirques des Navarcelles, an den Lac du Salagou und zum Pont du Diable am Herault, wo man gut im Fluß baden konnte.
Weine kamen hauptsächlich von der örtlichen Cave Cooperative ins Glas. So war das damals, man trank ortsverbunden von den Genossen. Die hatten als Spitzenwein den Seigneur des Deux Vierges, den gibt es immer noch. Nichts Anzügliches zuvörderst: Der Wein ist benannt nach dem charakteristischen Fels hinter dem Dorf, dem Roc des Deux Vierges. Da sollen tatsächlich mal zwei Jungfrauen gelebt haben, um näher am Himmel beim lieben Gott zu sein. Meistverkaufter Wein der Genossen ist allerdings der Vin d'Une Nuit. Wiederum ein poetischer Name. Der ist mir sogar mal ein paar Jahre später im Sortiment des kleinen Einkaufsladen im Camping Vliegenbos in Amsterdam begegnet. Natürlich, denn zum Gras gehört nunmal auch ein unkomplizierter, süffiger Roter.

St. Saturnin: Im Hintergrund der Roc des Deux Vierges

Die Route der Tour verläuft heute ein paar Kilometer weiter südlich und biegt in Pezenas nach Nordwesten ab. Direkt durchfahren wird dann der bekannte Weinort Faugéres, Namensgeber und Zentrum der gleichnamigen AOC Faugéres. Die ist berühmt für ihr Terroir, nirgends sonst im Languedoc findet sich nämlich eine solche Häufung von Schiefergestein. Und das erzeugt beim Wein ja immer eine besondere Qualität. Spontan fällt mir als Region dazu natürlich die Mosel und das Priorat ein. Der Wein zur Etappe wird heute also ein Faugére, soviel steht fest...







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