Dienstag, 29. Juli 2014

14. Depesche: Tour d´Honneur

Die Tour de France 2014 ist Geschichte, 21 Etappen über eine Distanz von 3664 Kilometern wurden bewältigt. Vincenzo Nibali, der Hai von Messina, dominierte in der Gesamtwertung unangefochten, nachdem Alberto Contador und Vorjahressieger Christopher Froome schon früh aussteigen mußten. Dadurch fehlten in diesem Jahr leider die Gladiatorenkämpfe in den Bergen.

 
Marcel Kittel setzte sich am Sonntag auf den Champs-Elysées im Schlußsprint durch und gewann die Etappe. Bester Deutscher im Gesamtklassement ist Tony Martin auf Platz 47.
Zum fünften Mal wurde La Grande Boucle hier virtuell mit Notizen zu Sport, Wein, Genuß und Reise vom Priorat-Hammer und vom Weindeuter begleitet. Auch 2014 konnte Tour des Vins eine Klickrate auf dem Niveau der Vorjahre halten.
Allen Zuschauern darum vielen Dank und auf jeden Fall bis zum nächsten Jahr.



Freitag, 25. Juli 2014

14. Depesche: La Gloire de mon Pére



Die TdF 2014 biegt ein auf die Zielgerade, heute läuft die letzte reguläre Etappe, morgen ist Zeitfahren in Bergerac, am Sonntag dann die Tour d´Honneur nach Paris. Die Pyrenäen sind Geschichte, leider gestern bei wolkenverhangenem Himmel. Die letzte Etappe dort war durchaus spannend. Uneinholbar, wie Nibali da abgegangen ist, nach dem frühen Ausscheiden der anderen Favoriten kein ebenbürtiger Gegner in Sicht.



Für Weinfreunde ist der Streckenverlauf heute durchaus interessant. Es geht zunächst durch die Rebhänge des Madiran (Verkostung eines Weines bei der Tour 2010 und 2012 klick hier), weiter im Norden dann Buzet, das Marmandais und schließlich Bergerac. Das zählt zwar noch zur Weinbauregion Sud-Ouest, ist allerdings schon nah dran an Bordeaux. Das prägt den Charkter der Weine, die Roten sind überwiegend aus Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc, bei den Weißen dominiert Sauvignon Blanc.

Zur Etappe wurde gestern schon mal vorab etwas von dort geöffnet...



La Gloire de mon Père Chateau Tour de Gendres 2009 Bergerac (14% / 14€) Ein Wein von Luc de Conti, einem der Qualitätspioniere im Bergerac. 45% Merlot, 30% Cabernet und 25% Malbec ergeben kräftigen, dichten Stoff. Reife Beerenfrucht, Tabak, Lakritz. Herbheit oder sperrige Tannine gehen ihm ab, als 09er jetzt schön offen, animierend, entwickelt hohen Trinksog...




Donnerstag, 24. Juli 2014

13. Depesche: Läuterung am Tourmalet



Im Zentrum der heutigen Etappe steht ohne Zweifel der Col de Tourmalet. Der Anstieg in den Pyrenäen war der erste Berg jenseits der 2000er, der in eine Touretappe aufgenommen wurde. Und das schon im Jahr 1910. Damal war das noch unzugängliches Gebiet, die Strecke nicht mehr als eine raue Schotterpiste. Tour - Gründer Henri Desgrange mutmaßte damals: "Es wird Blut an unseren Händen kleben". Zum Teil wurden die Räder an den steilen und unwegsamen Stellen geschoben, für Fahrer, die nicht abstiegen, gab es eine Sonderprämie.

Ich selbst bin über den Tourmalet vor fast 20 Jahren mal mit dem Auto gefahren. Es war auf der Runde, die ich gestern schon erwähnte: Die letzte große Schleife eines alten Opel Kadett C, der Rote Bochumer mit seinem kleinen Nähmaschinenmotor war unermüdlich auf seiner Runde durch Frankreich und Spanien, die wir damals unternahmen. Der Sinn war eigentlich, möglichst viel unterwegs zu sein, die Frontscheibe war wie eine Leinwand im Autokino, auf der die Landschaft als tagelanges Roadmovie vorbeirauschte.



Wir hatten die spanisch-französische Grenze bei Saint-Jean-de-Luz überquert, dort am Hafen gegrillten Thunfisch und Sardinen gegessen, ein paar Kilometer nördlich in der Bucht von Biarritz gebadet und sind dann am Nordrand des Gebirges bis nach Lourdes gefahren. Dort herrscht der Wahnsinn. Aber sowas zieht ja an. Und so haben wir dann einen nachmittag in diesem marienverrückten Ort verbracht. Es ist der drittgrößte katholische Wallfahrtsort weltweit, sechs Millionen Menschen besuchen jährlich die Stadt. Infrastruktur und Dienstleistungsangebot sind vollständig an den stetigen Pilger- und Besucherzustrom angepaßt. Über der kleinen Höhle, in der im Jahr 1858 die kleine Bernadette Soubirous ihre Marienerscheinungen hatte, wurde eine riesige Kirche errichtet, drumherum der Site des Sanctuaires, der Heilige Bezirk. In der Innenstadt bieten mehrere Magasin Catholique unglaubliche Menge an Glaubensdevotionalien an.



Kern des ganzen Geschäftsmodells sind natürlich die Wunderheilungen. Hier arbeiten Priester und Ärzte Hand in Hand. Auf dem Gelände gibt es seit 120 Jahren ein eigens eingerichtetes medizinsches Büro, dem sämtliche Heilungen gemeldet werden. Zusammen mit dem Klerus wird dann geprüft. Bisher sind von gemeldeten 7000 Heilungen nur 67 als offizielle Wunderheilungen im Sinne der katholischen Kirche anerkannt worden. Hier ist das in aller Ausführlichkeit dokumentiert (klick). Die endlose Prozession der altertümlichen Rollstühle und Bahren, gezogen von Schwestern in Tracht, mutet bizarr an. Die Kranken werden in Badehäusern in das "heilige Wasser" gelegt, über allem aus Lautsprechern liturgische Musik in Endlosschleife. Unser Reisebuch damal war das Tucholskys Pyrenäenbuch, großartige Lektüre, auch Lourdes beschreibt er "die Stadt der kleinen Leute...".

Weil es so schön passt, hier zwei Auszüge:

"Sei es, dass sie Furcht haben, die heilige Quelle könne nicht so viel hergeben, sei es aus diesem seltsamen und verständlichen Glauben heraus, Wasser, über die so viele Gebete hingebraust sind, wirke stärker als frisches. Dieses Wasser wird nur zweimal am Tage gewechselt, nachmittags und abends. Hunderte baden also in demselben Bad und das Wasser ist fettig und bleigrau. Wunden, Eiter, Schorf, alles wird hineingetaucht. Nur wenn sich jemand vergisst, erneuern sie es sofort. Niemand schrickt zurück; vielleicht wissen sie es nicht."

"Lourdes ist ein Anachronismus. Diese organisierten Pilgerzüge, diese elektrisch erleuchtete Kirche, die aussieht wie ein Vergnügungslokal auf dem Montmartre, der grauenhafte Schund, der da vorherrscht, nicht nur in den dummen Läden, sondern in den Kirchen selbst, diese unfromm bestellten Altäre, Schreine, Ornamente, Decken und Beleuchtungskörper."

Ich entschloss mich seinerzeit zum Kauf einer kleinen (Marien)flasche und füllte daraus etwas Wasser in den Kühler des Roten Bochumers...




Nach einigen Stunden war die Flucht von dort geboten, wir suchten Heilung und Läuterung lieber nicht bei der nächtlichen Fackelprozession, sondern in der Höheneinsamkeit der Berge. Spät am Nachmittag ging es südlich auf die D 821 durch das immer enger werdende Tal hinauf in Richtung Tourmalet (die Tour heute überfährt den Pass in umgekehrter Richtung von La Mongie rauf). In einem kleine Seitental kurz vor der Passhöhe hielten wir dann an, um im Auto zu übernachten. Es dämmerte schon und die Kälte kam, schnell wurde der Gaskocher für ein paar Nudeln angeworfen. Der Wein dazu ? Ich weiß es nicht mehr, wahrscheinlich allereinfachster Roter. Man war damals unterwegs "on a budget".
Am nächsten Morgen dann ein unvergessliches Erlebnis. Über den scharfgezackten Pyrenäenkämmen zog die Sonne auf. In einem weißen Renault Kastenwagen erschien ein Schäfer mit Baskenmütze und stieß lauthals kehlige Schreie in Richtung der Felswände heraus. Glockengebimmel kündigte dann aus der Ferne die Ankunft seiner Herde an. Schafe rannten auf uns zu, tranken und leckten das auf Steinen ausgebreitete Salz.



Weinappellationen gibt es zu Füßen der Pyrenäen einige. Ganz im Westen im Baskenland Irouléguy, dann Béarn und Jurancon südlich von Pau. Genau durch diese für Weißweine bekannte AOC fährt das Feld im Moment. Da fällt relativ viel Niederschlag und es ist auch gar nicht so heiß, wie man vermuten würde. Das ergibt im trockenen Bereich frische Weine, die auch deutsche Rieslingtrinker ansprechen müßten. Außerdem gibt es natürlich noch die Edelsüßen aus dem Jurancon, durchaus eigenständig, in Frankreich aber auch beliebt als günstiger Sauternes-Ersatz. Verkostet wurde dazu in den letzten Jahren, aktuell hatte ich, genau wie der Priorat-Hammer dazu leider nix im Hause...




Torstens Genusskommentar: Pau - Hautacam

Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen

Pau - Hautacam

Durch Pau bin ich schon recht häufig gefahren, sogar mitten durch das Stadtzentrum, ich war auch schon versucht, anzuhalten und die Stadt richtig zu entdecken. Aber entweder hatte die jeweilige Reisbegleitung keine Lust auf Stadt und Kultur oder das Wetter zog auch mich richtig in die Berge. Letztmalig kam ich 2009 durch die Stadt und wir fuhren genau so raus, wie heute gefahren wird, hinauf zur Kirche Notre Dame de Pietat und dann runter nach Nay.
Was wir dort erlebten, kann in meinem 2009er Reisetagebuch nachgelesen werden (klick hier). Die hübsche Wallfahrtskirche liegt nur knapp neben der heutigen Strecke.





Die Tour schlägt dann eine größere Runde am Rande der Pyrenäen entlang, um dann in Sainte Marie de Campans wieder auf mir bekanntes Terrain zu führen. Nahe des Ortes gibt es ein schönes kleines Klettergebiet mit bestem griffigem Kalkstein, welches mir schon oft einen schönen Urlaubstag beschert hat, direkt unterhalb eines Felsens kann man auch wunderbar biwakieren. Der reißende Fluß verleitet zum Bad im Wildwasser, je nach Wasserstand muss man aber aufpassen. Ist es zu voll, dann nehme man lieber eine Dusche mit der Fahrradtrinkflasche als Spritzflasche...


Zum Einkaufen sind wir dann auch immer gern in den Ort rein gelaufen, wo es mehrere kleine Geschäfte für eine ausreichend gute Versorgung gibt. Insgesamt ist der Ort recht hübsch, die Kirche und ein kleines Museum zur Tour de France laden ebenfalls zum Besuch ein.

Im Jahr 2000 bin ich erstmals auch über den Col du Tourmalet gefahren, allerdings bislang immer mit dem Auto, in den folgenden Jahren habe ich die Route immer wieder von beiden Seiten unter die Räder genommen. In La Mongie habe ich dabei niemals gehalten, zu abweisend finde ich den Retortenort. Jedes Mal dagegen gab es einen ausgiebigen Stopp auf dem Paß, immer wieder erfeue ich mich am den vielen Schafen, die die Straßen bevölkern. Im Jahr 2000, als ich das noch nicht kannte, dachte ich, einige der Tiere, die auf dem Asphalt lagen, seien angefahren worden. Bis wir dann heraus fanden, dass sie mit roter Farbe von ihrem Besitzer gekennzeichnet worden sind. Und sie lieben es einfach, auf dem warmen Asphalt zu liegen...




In Bareges und Luz Saint Sauveur habe ich immer gern gehalten, sowohl zum Einkaufen von Lebensmitteln, aber auch einfach mal für einen kleinen Bummel. Landschaftlich noch einmal richtig schön ist dann der Abschnitt durch die Gorges de Luz.

Weintechnisch müßte es einen Jurancon geben, ganz zum Beginn der Etappe fährt man ganz knapp an diesem Weinbaugebiet vorbei. Ich habe derzeit leider keinen mehr im Keller...

Zu den folgenden Etappen kann man dann am Anfang der nächsten Etappe einen Madiran aufmachen und am Ende noch einen Bergerac, der auch am darauf folgenden Tag weiter getrunken werden kann. Gerade die bei mir noch im Angebot meiner Prioratführerselektion befindlichen 2005er von Masburel von der Lady bis zum Bolero eignen sich zum Trinken über 2 Tage, brauchen sie doch allesamt viel Luft. Unmittelbar mehr Spaß macht hier dann 2003.

Zwischen dem Madiran und dem Bergerac kann man durchaus auch noch einen Armagnac trinken. Da hätte ich sogar noch was von im Keller, aber bei der Hitze ist mir nicht nach 40° und mehr...

Ansonsten habe ich beim genauen Anschauen der Tourkarte feststellen müssen, dass ich immer eher parallel zu den Strecken gefahren bin - also darf ich mich schon mal verabschieden an dieser Stelle und hoffe, dass das Mitlesen wieder Spaß gemacht hat.





Mittwoch, 23. Juli 2014

Torstens Genusskommentar: St. Gaudens – St. Lary – Pla d´Adet

Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen

St. Gaudens – St. Lary – Pla d´Adet

Diese Etappe ist vom Rennverlauf wieder ganz nach meinem Geschmack, einen überwiegenden Teil der Strecke (vom Startort bis zum Peyresourde) kenne ich aus eigenem „Erfahren“, auch wenn nicht all zu viele Haltepunkte dabei sind. Aber die Landschaft läuft vor meinem geistigen Auge quasi mit...

Die Strecke durch das Garonne / Aran-Tal gehört inzwischen zu meinen Standardstrecken in das Priorat, von Toulouse kommend hat man noch mal etwas mehr als 50 km mautfreie Autobahn, erst 2 Abfahrten vor dem heutigen Startort muss man als Mautverweigerer runter. Aber auch dann läßt es sich gut fahren, St. Gaudens hat eine Umgehungsstraße (einmal nur hatte ich die Abfahrt verpaßt und mußte mitten durch das Zentrum, was aber auch nicht wirklich aufhält und man sieht ein wenig von der Stadt und wünscht sich irgendwann mal hier einen Kulturstopp. Bisher haben die Pyrenäen immer zu laut gerufen...
In Gourdan – Polignan, wo die D8 auf die N125 stößt, gibt es direkt am Kreisel einen großen Supermarkt, den ich häufig nutze – je nach Richtung für die letzten oder ersten Lebensmitteleinkäufe in Frankreich. Inzwischen ist es auch vom Spritpreis her egal, wie schon gestern erwähnt, lohnt es sich hier nicht mehr, noch bis hinter die spanische Grenze zum Tanken zu fahren...

Wenige Kilometer später sind sie dann urplötzlich da, die Pyrenäen. Da, wo wir auf die Garonne stoßen, beginnen auch die Berge rechts und links von uns zu wachsen. Wir aber bleiben unten im Tal. Die Landschaft wird jetzt Kilometer um Kilometer schöner. Wenn der mittelalterliche Turm von Fronsac von der Bergkuppe her grüßt, dann spätestens ist es da – das Pyrenäenfeeling.


Einige Kilometer später kommt der sehenswerte kleine Ort St. Beat. Ein Besichtigungsstopp lohnt hier wegen des alten Ortskerns, der wilden, hier ungezügelten Garonne, der Kirche und dem Rest der Schloßanlage, Bis vor wenigen Jahren hatte man jedoch das Gefühl, hier in einem toten Ort zu landen, alles war zu, es gab keine Läden und keine Gaststätten mehr. Die Besichtigung hatte etwas Unbehagliches, so schön der Ort an sich auch war. Aber man durfte hier weder Durst noch Hunger haben - lange Jahre fuhr jeder hier die paar Kilometer weiter bis über die spanische Grenze, um sich dort wesentlich billiger mit allem zu versorgen. Auch der große Marmorsteinbruch konnte das nicht ändern, Hier wurde das Geld verdient, wenige Kilometer weiter in Spanien wurde es ausgegeben.
Erst jetzt in den letzten Jahren mit der gravierenden Krise in Spanien und der einhergehenden enormen Verteuerung des Lebens dort hat der Trend begonnen, sich umzukehren. Nun sind wieder kleine Läden in St. Beat entstanden, auch Einkehrmöglichkeiten gibt es plötzlich wieder, Leute (und nicht nur Touristen) sind wieder auf den Straßen zu sehen. Die Krise im Aran-Tal ist der Aufschwung an der Garonne...

Hinter Fos gibt es einen eigenartigen Kreisverkehr, der um einen ganzen Felsen mit einer Turmruine herum führt, die ehemalige französische Grenzfeste. Von nun an sind wir im früheren Niemandsland, heute ist das noch klar als Frankreich definiert und erst das blaue Schild mit dem Sternenkreis markiert, dass wir auf Spaniens Hoheitsgebiet kommen. Manchmal steht hier immer noch die Polizei und der Zoll, wenn mal wieder auf Verbrecher Jagd gemacht wird, Demonstrationen oder Unruhen gar zu befürchten stehen – wie auf der Firafahrt vor ein paar Jahren, wo es einige Tage später in Barcelona einen großen politischen Gipfel gab. Uns hat man dennoch damals nicht kontrolliert, sondern durchgewunken. Zu friedlichen Momenten fährt man auch fast unbemerkt rein, denn es ändert sich nur wenig im Detail, die Straßenbeschilderung zum Beispiel.

Direkt an der Grenze gibt es eine nette Gaststätte, wo man vernünftig isst und das letzte oder erste billigere Bier /resp. den Kaffee bekommt. Da ist der Preisunterschied noch deutlich, wo er in den Lebensmittelläden und an der Tankstelle schon deutlich verwischt. Deswegen waren auch in diesem Jahr deutlich weniger französische Autos im kleinen, aber auch hübschen Bosost zu sehen, sonst war hier immer die Hölle los mit französischen Einkaufstouristen. Ich persönlich fand es in diesem Jahr oder auch schon letztes Jahr im Herbst dort deutlich angenehmer, es war nicht so überfüllt und das alte Ortszentrum mit seiner romanischen Kirche ist immer noch schön, aber ich jage dort auch nicht dem billigen Schnaps und den billigen Zigaretten hinterher, sondern kaufe allenfalls noch ein paar spanische Wurstspezialitäten oder guten Käse aus dem Aran-Tal.

Die Tour traut sich nur lächerliche 10 km tief nach Spanien rein, dann geht es schon wieder raus aus dem Tal und rauf zum Col du Portillon, wo bereits wieder die Grenze ist.


Eine wirklich große Etappe hier durch die Pyrenäen hätte mich mehr gefreut, ist diese Gegend hier doch auch was fürs Auge...
Und das Aran-Tal ist eigentlich auch eher französisch geprägt. Im Pyrenäenfrieden, als der französische König dem spanischen was abgeben sollte, da trat er ihm das Aran Tal ab und wurde die als aufmüpfig geltenden Bewohner hier theoretisch los. Der spanische König hingegen und seine Schergen hatten Mühe, zu den neuen Untertanen zu kommen.

Der Tunnel von Vielha wurde erst 1948 eröffnet, erst seit 1965 ist die Straße ganzjährig befahrbar und ist heute der schnelle Weg runter nach Lerida. Aber auch über den höchsten heutigen spanischen Pyrenäenpaß Port de Bonaigua gibt es erst seit 1924 eine Straße, die aber im Winter bei zu viel Schnee geschlossen wird.
Man kam also jahrhundertelang nur beschwerlich im Sommer über die hohen Pässe, man ist hier unweit der Maladeta Gruppe, der höchsten Berggruppe der Pyrenäen, Auch der Hausberg Besiberri ist ein 3000er Doppelgipfel...


Man war abgeschieden und machte sein eigenes Ding, wirtschaftlich und kulturell immer eher an Frankreich orientiert, weil man nach dort talabwärts leichter hin kam. Das Aranes entwickelte sich als eigene Sprache, die hier bis heute als Amtssprache gilt, heute gleichberechtigt neben spanisch und katalan. Die Aranesen kämpfen heute um eine Anerkennung als ethnische Minderheit.

Inzwischen ist die Tour wieder in Frankreich, auch über den Col du Portillon und bis auf den Col de Peyresourde bin ich des öfteren gefahren, allerdings immer mit dem Auto.
Meine Radstrecke von 1996 wird leider nicht mehr berührt – wir kamen damals den Port de Bonaigua runter, haben in Vielha gezeltet und sind am nächsten Tag durch den Tunnel von Vielha – was per Rad wohl der größte Horrortrip meines Lebens war.

Nervensache: Tunnel von Vielha
Es geht in diesem langen Tunnel noch etwa 5 km immer weiter bergan, entsprechend schwach ist das Rücklicht und der Tunnel war 1996 kaum gut ausgeleuchtet. Um besser gesehen zu werden, hatten wir damals unsere Stirnlampen noch verkehrt rum auf den Kopf gesetzt, um nach Hinten abzustrahlen. Obwohl wir nicht gläubig waren, sprachen wir vor der Einfahrt in den dunklen Schlund ein Gebet und jede Menge Adrenalin wurde frei, als wir am anderen Ende des Tunnels das rettende Licht sahen. ..
Die vielen kleinen alten Kirchen am Wegesrand hinauf zum Peyresourde lohnen einen Besichtigungsstopp. Da ich auch noch nicht in allen war, gibt es immer noch Gründe für ein Wiederkommen. Ein Stopp oben auf dem Pass und eine Einkehr in die dortige kleine Bar hingegen ist obligatorisch. Auch der Blick, der sich ein paar Meter hinter dem Paß in Richtung Vignemale und Co öffnet, kann unvergeßlich sein.


Ab Estarvielle verläßt die Strecke dann mir bekanntes Gebiet, ich bin bislang nie die kleine Straße nach St. Lary rüber gefahren, die es aber auch noch gar nicht so lange gibt. Nur St. Lary selbst kenne ich dann wieder vom Durchfahren in Richtung zum Tunnel von Bielsa.
Ansonsten bräuchte ich für das Gebiet hier erst einmal verläßliche Informationen und gutes Kartenmaterial – es gäbe auch in der Ecke einige 3000er zu besteigen, aber man sollte hier nie herfahren, ohne sich vorher gründlich vorbereitet zu haben. Sonst wird das nichts mit den Gipfeln, die mitunter schon nach Eispickeln, Steigeisen und Kletterausrüstung verlangen können.

In Deutschland sind diese Ecken eher noch unbekannt und man bekommt kaum wirklich gute Tipps. Aber vielleicht macht gerade das den Reiz und den Entdeckerdrang aus...



12. Depesche: Von Carcassonne in die Pyrenäen

Nach dem Ruhetag am Montag begann gestern die letzte Tourwoche, die Pyrenäenklassiker stehen auf dem Programm. Etappenstart war Carcassonne, mit seiner komplett erhaltenen mittelalterlichen Cité ein absolut beeindruckender Ort. Zum ersten Mal dort war ich 1996. Wir hatten mit einem alten roten Kadett in einer Woche eine große Schleife gedreht, von Saarbrücken über das Massif Central bis Andorra, dann südlich der Pyrenäen über Pamplona hinein ins Baskenland, dort Bilbao und San Sebastian angeschaut, schließlich zurück nach Frankreich über Saint-Jean-de-Luz und Biaritz. Nach einigen Bergstrecken durch die Pyrenäen dann nach Caracssonne und weiter durch das Languedoc, die Provence und die Schweiz zurück in den Ruhrpott. Ein Wunder, daß die alte Kiste mit dem Nähmaschinenmotor durchgehalten hat, geschont wurde weder Mensch noch Material auf dieser Runde.


Carcassonne, die Anlage der Cité wirkte wie eine Filmkulisse mit ihren Türmchen, Zinnen und Wehrgängen. Davor die Reben, eine Ideallandschaft, davor der kleine rote Bochumer.
Im Sommer ist innerhalb der Mauern die Hölle los, sehr voll, macht keinen Spaß. Der Priorat-Hammer hat es in einem Post ja sehr gut beschrieben (klick).



Im Jahr 2005 machten wir Familienferien in der Nähe, in einem klein Kaff im Minervois. Ein Ausflug in die Festungsstadt bot sich da an, es traf uns aber das TSD, das Tourist Sightseeing Syndrom, bloß weg! Stattdessen gab es schöne Verkostungen mit Crus des Minervois im Ferienhaus...




Carcassone ist eine Schnittstelle für einige interessant AOCs. Das Minervois gruppiert sich nördlich, zum Meer hin bei Narbonne gibt es einige interssante Weingüter. Südlich erstrecken sich die wildromantischen Corbieres, als Einsprengsel Fitou. Von da hatte ich zufällig vor ein par Tagen den wunderbaren Roten von Katie Jones im Glas, sehr reichhaltiger, dabei sehr feiner Schluck mit toller Frucht...



Fast hätte ich es vergessen, südlich gibt es noch eine Enklave des Weißen und Prickenlnde: Die AOC Limoux, zur Tour 2013 wurde hier ein Schäumer von da verkostet (klick).



Also, für das Doping ist hinreichend gesorgt, das Feld zieht nach Südwesten, in die Berge, in die Pyrenäen, dieses urwüchsige Gebirge zwischen Frankreich und Spanien, mit den Alpen vom Charakter nicht zu vergleichen. Später dazu mehr...


Dienstag, 22. Juli 2014

Torstens Genusskommentar: Carcassonne – Bagnères de Luchon

Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen

Carcassonne – Bagnères de Luchon

Ich habe aufgehört, zu zählen, wie oft ich bereits in Carcassonne war. Erstmalig war es während meiner Sommerradtour 1991, als ich mich der Stadt vom Aude-Tal her näherte. Bereits damals fand ich die kleine Straße D104, die wenig hinter der Autobahnquerung rechts von der D118 weg führt. Fährt man diese, so hat man einen unvergleichlichen Blick über rebenbestandene Hügel auf die berühmte mittelalterliche Festungsstadt, vielleicht ist es sogar die beste Sicht, die man haben kann – der Blick ist unverbaut und nichts trübt das Auge.



Natürlich habe ich schon damals eine ausgiebige Tour durch die Festungsanlage gemacht, die Kathedrale und das Schloß besichtigt und bin durch die engen alten Gassen geschlendert. Und dann bin ich häufig und gern immer wieder gekommen, auch wenn der Strom der Touristen mitunter nervt und man in vielerlei Hinsicht aufpassen muss, in keine der aufgestellten Touri-Fallen zu tappen.

Inzwischen weiß ich, dass man auch im Inneren der Altstadt gutes Cassoulet essen kann und habe dort nicht am Schlechtesten gegessen, obwohl man es schon aufgrund der Touristenmassen vermuten könnte, dass es hier oft nicht um wirklich gutes Essen geht – aber dem ist glücklicherweise nicht so - es gibt sehr vernünftige Angebote, auch hinsichtlich des Preises und dem dafür Gebotenen. Wie gesagt, eigentlich muss man hier Cassoulet essen, dazu einen guten Wein trinken, am Besten aus dem hochwertigsten Weinbaugebiet der Gegend, aus Limoux, welches heute leider auf der Etappe gemieden wird.



1991 bin ich zum Essen noch in die Stadt hinunter gefahren und da erstmalig während meiner Frankreich-Aufenthalte in einem asiatischen Restaurant gelandet. Sehr sympathisch fand ich, dass man dort nicht wie in Deutschland Messer und Gabel zum asiatischen Essen bekam, sondern die üblichen Stäbchen. Man zeigte mir auch gern, wie das geht, mit den Stäbchen zu essen, es war eine Selbstverständlichkeit. Wahrscheinlich hätte man mir auch Messer und Gabel gebracht, wenn ich darum gebeten oder gar darauf bestanden hätte Bis heute kann ich es nicht nachvollziehen, warum man in allen Asia-Restaurants in Deutschland dagegen um Stäbchen extra „betteln“ muss... Warum legt man nicht wenigstens beides gleichberechtigt nebeneinander hin? Oder setzt wie in Frankreich voraus, dass der Gast auch bereit ist, das Essen mit den Stäbchen zu erlernen?

In späteren Jahren, als ich auch per Auto kam, merkte ich, dass es in den Straßenzügen unterhalb der Cité auch kostenfreie Parkplätze gibt, man läuft dann durch die Wiesen hoch und entert die Befestigungsanlagen durch eine der kleinen Pforten – eine sehr spannende Annäherung an die Festung übrigens.

Noch ein letzter Tipp für die Cité, denn in der Unterstadt gibt es nicht sooo vieles zu sehen: Wer genug Nervenstärke hat, der traue sich, das Spukhaus (La Maison Hantée) zu besuchen. Das ist alles andere als purer Touristennepp und Kinderschreck-Geisterbahn. Mit Hilfe allerlei technischer Tricks und Täuschungen, aber auch mit professionellen Schauspielern wird einem das Fürchten gelehrt. Wobei die Crew bemüht ist, das nervlich maximal Machbare aus jedem Besucher heraus zu kitzeln. Als wir vor Jahren zwischen Weihnachten und Silvester dort waren, bewiesen die Schauspieler allerlei Geschick, um selbst Unerschrockene wie uns „zu bekehren“ – wir hatten „volles Programm“ gewünscht – man wird vorher gefragt, wie weit gegangen werden darf – man kann dann die „Notbremse ziehen“, indem man den Arm hebt, in allen Räumen ist man unter stetiger Beobachtung - am Besten zu Zeiten herkommen, wo in der Stadt an sich nicht „volles Programm“ ist, sonst wird es vielleicht doch zu sehr fließbandartig.



Was dagegen die heutige Streckenführung angeht, so muss ich als Pyrenäenliebhaber und halbwegs Pyrenäenkenner gestehen, dass es nur wenige Berührungspunkte gibt, oft habe ich die heutige Strecke auch lediglich gequert – zu stark war auf diesem Abschnitt bisher die Anziehungskraft Andorras bzw. der spanischen Pyrenäenseite.

Ein erstes Mal passiert eine solche Streckenquerung in Prouillé, wo ich von Castelnaudary (berühmt für seine eigene Cassoulet-Spielart) nach Limoux (berühmt für Weine und Schaumweine) unterwegs war. Das hier ist die Gegend der Weine der Côtes de la Malepère, in der sich die Midi-Rebsorten mit den Bordelaiser Sorten vermischen. Von der Cave de Razes, die nicht weit entfernt von hier ist, habe ich mitunter schon recht anständige Weine getrunken, auch wenn diese AOC immer etwas im Schatten der benachbarten Appellationen steht. Im Keller habe ich aber davon derzeit auch nichts, also gibt es auch zu dieser Etappe von mir keinen Tourwein. Dafür habe ich es gestern geschafft, mich mit meinem Moulin à Vent auseinander zu setzen...

Fanjeaux, eine Etappe der Katharertragödie, habe ich bislang noch nicht besucht, dafür bin ich die paar Kilometer zwischen Belpech und Plaigne schon gefahren – allerdings andersrum als heute. Ich war damals nach Mirepoix und in die Monts d´ Olmes unterwegs, neben der Besteigung des St. Bartelemy, der für die Katharer ein heiliger Berg war, hatte ich damals natürlich auch die Katharerburg von Montsegur besucht.



Bei Pamiers wird die ab da kostenfreie Autobahn in Ariege-Tal gequert, die kleine Stadt habe ich bislang leider noch nie besichtigt – ich komme hier häufig aus Toulouse auf dem Weg nach Andorra hoch entlang und wie von Geisterhand bin ich da immer sehr fix auf der kostenfreien Autobahn, bevor ich hier über einen Stopp nachdenken könnte.

Zwischen dem Col de Portet d´ Aspet und dem Col des Ares kenne ich lediglich die 5 km der D85. Auf diesem landschaftlich schönen Abschnitt verlangte Yvonne 2012 auf dem Weg zur Fira zu fahren, sie wollte zusätzliche Pyrenäenpässe „prügeln“ und so fuhren wir über den Col de Menté und dass, obwohl schon der Sprit knapp wurde und in dieser gottverlassenen Gegend gab es natürlich keine Tankstelle mehr für einen Notschluck. Aber wir konnten uns bis zur ersten Tanke in Spanien retten und dort sollte man auch immer mit leerem Tank angekommen sein, weil es dort billiger war. Seit der drastischen Spritpreiserhöhung in Spanien irgendwann letztes Jahr zwischen Mai (wo es noch günstiger war) und September (wo es schon enorm angezogen hatte) rechnet sich das aber auch nicht mehr wirklich. Inzwischen kann man in Spanien nur bei den Billigtankstellen wie BonArea noch sparen, an den Tankstellen der großen Ketten ist es inzwischen genau so teuer wie in Deutschland und Frankreich. Von daher lohnt wieder verstärkt die Anreise über Andorra. Früher (bis zum Frühjahr 2013!) hatte das bei einer vollen Tankfüllung immerhin etwa 12 bis 15 € ausmachen können, d.h. ein recht gutes Mittagsmenü in Spanien konnte man sich mehr leisten. Ich war erschrocken, als ich dieses Jahr im Garonne-Tal die Spritpreise sah. Früher hatte ich bei der Ausreise aus Spanien dort noch mal voll getankt (oder mich eben bei der Einreise bis dort hin „gemuchelt“) - dieses Jahr habe ich dort erstmalig nicht mehr getankt, weil es keinen Vorteil mehr brachte. Das Garonnetal queren die Fahrer aber heute tiefer, wenn sie vom Col des Ares runter kommen.

Durch den heutigen Zielort Bagnères de Luchon bin ich zwar schon des öfteren gefahren, aber für einen ausgiebigen Besichtigungsstopp hat es nie gereicht, mir waren hier meistens zu viele Leute...




Mein "Tour-Beaujolais" hatte mir gestern abend zu einer im Rotweinsud mit Zucchini und gelber Paprika geschmorten Hühnerbrust sehr gemundet, auch wenn er gemeinhin kein großer Wein sein wollte. Dennoch war er von anständiger Qualität und Aromenfülle und er wäre blind auch für einen einfachen Burgunder durchgegangen (als Gamay eher untypisch). 
Es war der Moulin À Vent 2009 der Domaine Maryse und Jean - Pierre Bertrand aus Charentay. Den Wein gibt es alljährlich für kleines Geld auf dem Weihnachtsmarkt zu Quedlinburg am Stand der französischen Partnergemeinde Quedlinburgs. Irgendjemand dort hat persönlichen Bezug zu diesem Winzer aus dem Beaujolais, der auch einen vernünftigen Primeur macht. Der 2009er Moulin à Vent hatte mir besonders gut gefallen, ich habe ihm sehr gute 91+/100 Th. gegeben.

Eigentlich sollte es ja noch einen Tour-Jura-Wein geben, was bislang zwar nicht am Wein, aber am passenden Essen bzw. dafür hier mangelnden Zutaten scheiterte. Na mal sehen, ob das noch etwas wird, oder ob dann ein abschließender Wein aus dem Bergerac / Duras die Kohlen aus dem Feuer holen muss...


Montag, 21. Juli 2014

11. Depesche: Ruhetag im Midi



Heute ist Ruhetag, die Strecke vom Etappenzeiel Nimes bis zum morgigen Etappenstart in Carcasonne haben die Fahrer nicht auf dem Rad, sondern in ihren Teamfahrzeugen zurückgelegt. Schade eigentlich, denn quer durch das Languedoc wären sie durch so manches schöne Dorf und durch so manchen Weinberg gekommen.

Radeln im Languedoc lohnt sich,
man kann sich überall mit einem Glas Rosé erfrischen...

Verlässt man bei Avignon westwärts die "Autoroute du Soleil", fährt man über die A9 von dort bis zur spanischen Grenze 300 Kilometer durch Weinfelder. Vom rechten Ufer der Rhône bis an den Fuß der Pyrenäen reicht das größte zusammenhängende Weinbaugebiet der Welt, dasLanguedoc-Roussillon: 15 Millionen Hektoliter Wein ! Jedes Jahr aufs Neue produziert. Die Masse stammt von Rebstöcken in den Ebenen, die in den sonnensatten Sommern kräftig tragen, verarbeitet von Genossenschaften und großen Weinkonzernen. Hier werden bedeutende Mengen des europäischen Weinsees produziert, Massenerzeugung total. Ein Weinsee, den in dieser Menge niemand braucht, den keiner leertrinken kann.

Kampf gegen den Weinsee, Überschüsse aus dem Midi
werden durch ganz Europa geschaukelt
Die Weinbauern dort, meist in großen Genossenschaften organisiert, haben seit 100 Jahren den täglichen Weinkonsum der Franzosen sichergestellt und damit einen verdienstvollen Beitrag zur Ernährung der Bevölkerung in den industriellen Zentren des Nordens geleistet. Seit 30 Jahren ist die Massenerzeugung aber in der Krise, obwohl die Überproduktion schon durch Flächenreduktion auf 250.000 Hektar abgebaut wurde.

Während viele kleinere Winzer auf Klasse statt Masse setzen und mittlerweile jede Menge gesuchte (Kult)weine produzieren, die mehr oder weniger problemlos nachgefragt werden, müssen sich die Massenerzeuger etwas einfallen lassen. Heraus kommen natürlich bestenfalls Weine, die keinen besonderen Terroiranspruch haben, die Zielgruppe sind hier auch gar nicht die "Weintheoretiker". Hier mal ein schönes Beispiel zu dem man sagen muß: Alles richtig gemacht. Originelle Aufmachung, Schraubverschluß, frische, saubere, nicht übertriebene Fruchtaromatik, Alkoholgehalt moderat.





Eine andere Liga sind natürlich die schon erwähnten individuellen Winzer. Sie haben die Anfang der achtziger Jahre einsetzende Languedoc - Qualitätsoffensive getragen. Die Trendsetzer waren Um- und Einsteiger, Tüftler, Individualisten. Rebflächen, vor allem an den schwer zu bearbeitenden Hängen mit kargen flachgründigen Oberböden, konnten günstig übernommen werden. Namen aus dieser Zeit sind z.Bsp. Daumas Gassac, Mas Jullien, Saint-Jean de Bébian. Die Umbaudynamik hält bis heute an, immer noch erfüllen sich hier Newcomer ihren Winzertraum. Exemplarisch sei hier nur die Domaine Virgile Joly aus Saint Saturnin am Herault genannt. Die (Gründungs)geschichte und damit auch viel über das Winzerleben im Languedoc ist in einem schönen Buch von Patrick Moon beschrieben"Virgile's Vineyard: A Year in the Languedoc Wine Country" (klick).



Als Begründer der Erneuerungbewegung kann man hier sicher Aimé Guibert mit seinem Daumas Gassac in Aniane anführen, der deshalb hier nochmal herausgehoben sein soll. 1978 war der erste Jahrgang, der auf Mas de Daumas Gassac produziert wurde, unter Beratung des damaligen "Star-Oenologen" Emile Peynaud aus Bordeaux, einer Art Vorgänger von Michel Rolland. Anfang der 80er begann die Weinszene auf Daumas Gassac aufmerksam zu werden. Gutes Marketing kam dazu, zudem der Nimbus des Newcomers aus einer Underdog-Region. Der Gault Millau titulierte den Gassac gar als „Lafite des Südens". Wie auch immer, alles was aus dem Languedoc danach kam und kommt, steht durchaus auf den Schultern von Aimé Guibert.

Der ist übrigens bis heute ein kantig-knorriger Streiter für den Wein als regional verankertes Naturprodukt. Im Jahr 2000 erlangte Aniane Bekanntheit, als die Mondavis hier ein Weingut etablieren wollten. In der Bevölkerung formierte sich Widerstand, die Kalifornier zogen sich zurück. Anzuschauen ist das in Jonathan Nossiter herrlicher Dokumentation Mondovino. Gleich am Anfang gibt es da ein Inetrview mit einem grantelndem Aimé Guibert: "le vin est mort..." Der Trailer bei you-tube hier (klick). Ein Großteil (80%) der Weinberge ist mit alten, ungeclonten Cabernets bepflanzt - diese inzwischen schon 40 Jahre alten Reben erzeugen auf natürliche Weise nicht mehr als 35hl/ha. Daneben gibt es Parzellen mit Malbec, Merlot, Cabernet Franc, Syrah und vielen weiteren Rebsorten. Das Mikroklima ist kühl inmitten des heißen Languedoc, angestrebt wird nicht der opulent-fruchtige Stil, man setzt eher auf Feinheit und Komplexität. Die Weine gelten als sehr gut lagerfähig.



Nach den Côteaux du Languedoc folgen im weiten Bogen des Midi dann Faugeres, St.Chinian, das Minervois, südlich dann Fitou und das wildromantische Corbieres. Überall massenhaft Wein, überall agieren hier qualitätshungrige Winzer mit einer breiten Palette an Gewächsen mir durchweg gutem Preis-Genußverhältnis.

Der Weinradler verkostet im Minervois...



Sonntag, 20. Juli 2014

Torstens Genusskommentar: Tallard – Nîmes

Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen

Tallard – Nîmes

Die Touretappe beginnt am Rande der Alpen in einer kleinen alten Stadt mit einigen malerischen Winkeln, alten Häusern, einer sehenswerten Kirche und einer Schloßanlage, die allerdings nicht besichtigt werden konnte. Ich habe hier in Tallard einen Besichtigungsstopp auf meiner 1998er Radtour eingelegt, nachdem ich die lange Abfahrt vom Col de la Bonette genossen habe.



Ich bin dann allerdings gleich auf der gut ausgebauten N85 weitergefahren, von dieser dann aber bei Monêtier–Allemont abgebogen, um in Richtung Nyons rüber zu kommen. So kenne ich lange Abschnitte der heutigen Etappe nicht, erst in Gordes wird es wieder interessant.

Ich hatte im November 1991 den zweiten Teil meines Französisch-Intensivsprachkurses in Avignon absolviert. An den Wochenenden lieh ich mir gern auch mal ein Fahrrad aus, um die Umgebung von Avignon besser erkunden zu können. Bei einer dieser Radtouren besuchte ich auch den malerischen Ort mit seiner engen Altstadt, die sich an die Felsen schmiegt, seine Kirche und das Schloß. Für einen Besuch des dortigen Vasarely-Museums war es aber leider schon zu spät, da ich an dem Tag schon mehrere andere Besichtigungsstopps eingelegt hatte – ich wollte nicht die ganze Strecke nach Avignon dann im Dunkeln zurück fahren müssen.

Absoluter Provence-Klassiker: Gordes

Auch St. Remy de Provence durchradelte ich auf einer solchen Tour – hier hatte ich ausgiebig die Alpilles entdeckt – und in Saint Remy war es leider schon dunkel. Zwar kam ich an einigen der römischen Ruinen, für die dieser Ort so berühmt ist, vorbei, aber wirklich anschauen geht eigentlich anders.

Tarascon und Beaucaire hatte ich im Zuge meines Aufenthaltes in Avignon natürlich auch schon mal durchstreift. Zu Beginn meiner 1998er Radtour, die ich in Montpellier startete, bin ich dort auch aus der Camargue kommend, durchgeradelt. Natürlich habe ich mir in Tarascon das gewaltige mittelalterliche Schloß genauso angesehen wie die wunderschöne Kirche in Beaucaire.



Weintechnisch würde auf der Etappe am Ehesten ein Côstieres de Nîmes passen. Damals, 1998 schwärmte ich für die Weine vom Château Mourgues du Gres, leider habe ich davon bereits seit vielen Jahren nichts mehr im Glas gehabt. 1998 hatte ich den Betrieb auf der Radtour selbstverständlich besucht, die damals in der Packtasche mitgenommenen wenigen Flaschen haben aber die Radtour nicht überstanden. Schließlich macht auch das Radeln gehörigen Durst. Nachgekauft habe ich dann im deutschen Wein-Versandhandel – lange vor der Internet-Zeit.




Den heutigen Zielort Nîmes hatten wir von der Sprachschule in Avignon aus während einer Exkursion besucht. Ich erinnere mich, dass mich die römischen Ruinen zwar sehr beeindruckt haben, aber die Stadt als Gesamtes hat mir wenig gefallen. Daher habe ich auch später nie wieder dort Halt gemacht, sondern bin immer schnell dran vorbei gefahren. Es gibt einfach zu viele Städte in Frankreich, die mir wesentlich besser gefallen.




10. Depesche: Von den Alpen durch die Provence


Endlich! Die Tour 2014 ist ja eher eine Rundfahrt des Nordens und Ostens, trotzdem gibt es heute nach dem kurzen Trip in die Alpen eine richtige Südetappe quer durch die Provence, eine sehr lange dazu. 222 Kilometer wird heute durch wunderschöne Landschaften geradelt, jede Menge Reben müßten zu sehen sein. Es wird heiß, Gegenwind wird erwartet - dafür geht es wenigstens tendenziell bergab, wie ein Blick auf das Etappenprofil zeigt.



Es geht los noch oben im alpinen Bereich. In Tallard, kurz hinter dem Lac des Serre Poncon wird gestartet. Der Stausee spielt neben seiner Bedeutung für Wasserwirtschaft und Stromerzeugung eine wichtige Rolle beim Wassersport. Man kann herrlich drin baden, Boot fahren oder surfen. An den Ufern haben sich allerlei Tourismusangebote angesiedelt (klick)



Die Tour folgt hier der N85,  der berühmten Route Napoleon, die von Cannes am Mittelmeer bis nach Grenoble führt. Der Korse nutzte die Marschroute, als er, von Elba kommend, am 1. März 1815 mit 1200 Mann an der französischen Küste landete und über Grasse, Digne, Sisteron und Gap bis nach Grenoble 335 Kilometer in einem siebentägigen Gewaltmarsch zurücklegte. Am 20. März 1815 zog er schon wieder als Kaiser in den Tuilerienpalast ein. Allerdings nur für hundert Tage, danach kam Waterloo. Die Geschichte endete bekanntlich auf St. Helena im Südatlantik.


Die N 85 ist eine wirkliche Traumstraße und für mich immer noch die schönste Art, ins Midi zu reisen. Hinter Grenoble geht es steil an, den Trubel des Tales läßt man unter und hinter sich und fährt im stetigen auf und ab Richtung Süden, sozusagen in Gegenrichtung zu Napoleons Troß. Zunächst ist alles noch sehr alpin, mit quellklaren Seen und spektakulären Blicken in die Seitentäler mit ihren schneebedeckten Gipfeln des Alpenhauptkamms. Doch schnell wird es flacher und wärmer, Architektur und Vegetation ändern sich und irgendwann taucht ein Straßenschild auf: "Alpes-de-Haute-Provence". Dann ist man schon kurz vor Sisteron, dem "Porte de la Provence" mit seinem spektakulären Felsdurchbruch der Durance. Von da sind es noch 180 Kilometer bis Nizza. Auf der Strecke liegen Lavendelfelder, Weinberge und einer der größten und tiefsten Schluchten Europas, der Grand Canyon du Verdon, 21 Kilometer lang und bis zu 700 Meter tief. Allein das lohnt schon die Reise. Der Verdon fließt als grünes Band im Talgrund und mündet in den tükisfarbenen und erfrischenden Wassern des Lac de Sainte Croix.




1990: Frühstück auf der Route Napoleon

1996: Kurzer Halt mit dem roten Bochumer in Sisteron

Südlich Sisteron wird dann nach Westen abgebogen, schöne kleine Straßen durch das Pays de Forcalquier bis nach einiger Zeit südlich der Luberon grüßt. Im Jahre 2008 ging die Tour auf gleicher Strecke hier durch und ich habe in Robion, einem Dorf kurz vor Cavaillon, an der Straße gestanden. Die Begeisterung war riesig, als erst die Werbekarawane und dann das Fahrerfeld passierten.




Schließlich geht es Richtung Rhone, die Gegend zwischen Camargue und den Alpilles übt einen magischen Reiz aus. Es fehlt die Lieblichkeit der Cote d Ázur und der "grünen" Provence im Departement Var. Die Gegend ist nackter, die Sonne brennt stärker. Alles wirkt erdiger, direkter. Kein Zufall, daß Nostradamus seine prophetischen Poeme zwischen St. Remy (da geht es heute durch) und Salon verfasst hat.




Wein gibt es da überall, erwähnt sei hier ein besonderer Cru des Südens ganz in der Nähe der Strecke, ein unter Weinfreaks weltweit anerkannter Wein, für die Gegend untypisch, ein Solitär: Domaine de Trevallon aus Les Baux-de-Provence. Seit 1973 bereitet der aus dem Elsass stammende Eloi Dürrbach Weine, die unter speziellen mikroklimatischen Bedingungen am Nordrand der Alpilles wachsen. Den gab es im letzten Jahr zur 6. Etappe von Aix nach Montpellier (klick hier).

In Tarascon geht es dann über die Rhone, von da sind es nur noch wenige Kilmeter bis zum Etappenziel Nîmes, neben Arles, Orange eine der Kapitalen der römischen Provence mit gewaltigen und gut erhaltenen Bauwerken aus dieser frühen Blütezeit. Ein ganz erstaunliches steht etwas nördlich, der: Der Pont du Gard. Die Brücke ist 49 m hoch und umfasst drei Etagen, sie war Teil einer fast 50 km langen Wasserleitung, mit der Wasser von den Quellen nahe Uzès nach Nîmes transportiert wurde.

Das war uns 2005 Anlaß genug, auf diese meisterhafte Ingenieursleistung der alten Römer mit einer kleinen Verkostung in den Wassern des Gard anzustoßen.



Der Wein zur heutigen Etappe kommt natürlich auch von hier, in den Costieres de Nimes wachsen ausgezeichnte Rote mit sehr gutem Preis-Genußverhältnis. Es sind eigentlich schon Weine Languedoc, sie gehören aber weinrechtlich noch zum Tal der Rhône.

JT Chateau de Nages 2011 Costieres de Nimes (14,5%/16,50€) Sehr reichhaltiger Wein, volle Nase, viel Fruchtdruck, satte Beeren, im Mund Kraft, auch hier reife, dunkle, süße Frucht, aber auch jede Menge Spice. Ist kein Weichspüler, kein Wunder, sind ja neben 88% Syrah auch noch 12% Mourvedre mit drin.