Montag, 21. Juli 2014

11. Depesche: Ruhetag im Midi



Heute ist Ruhetag, die Strecke vom Etappenzeiel Nimes bis zum morgigen Etappenstart in Carcasonne haben die Fahrer nicht auf dem Rad, sondern in ihren Teamfahrzeugen zurückgelegt. Schade eigentlich, denn quer durch das Languedoc wären sie durch so manches schöne Dorf und durch so manchen Weinberg gekommen.

Radeln im Languedoc lohnt sich,
man kann sich überall mit einem Glas Rosé erfrischen...

Verlässt man bei Avignon westwärts die "Autoroute du Soleil", fährt man über die A9 von dort bis zur spanischen Grenze 300 Kilometer durch Weinfelder. Vom rechten Ufer der Rhône bis an den Fuß der Pyrenäen reicht das größte zusammenhängende Weinbaugebiet der Welt, dasLanguedoc-Roussillon: 15 Millionen Hektoliter Wein ! Jedes Jahr aufs Neue produziert. Die Masse stammt von Rebstöcken in den Ebenen, die in den sonnensatten Sommern kräftig tragen, verarbeitet von Genossenschaften und großen Weinkonzernen. Hier werden bedeutende Mengen des europäischen Weinsees produziert, Massenerzeugung total. Ein Weinsee, den in dieser Menge niemand braucht, den keiner leertrinken kann.

Kampf gegen den Weinsee, Überschüsse aus dem Midi
werden durch ganz Europa geschaukelt
Die Weinbauern dort, meist in großen Genossenschaften organisiert, haben seit 100 Jahren den täglichen Weinkonsum der Franzosen sichergestellt und damit einen verdienstvollen Beitrag zur Ernährung der Bevölkerung in den industriellen Zentren des Nordens geleistet. Seit 30 Jahren ist die Massenerzeugung aber in der Krise, obwohl die Überproduktion schon durch Flächenreduktion auf 250.000 Hektar abgebaut wurde.

Während viele kleinere Winzer auf Klasse statt Masse setzen und mittlerweile jede Menge gesuchte (Kult)weine produzieren, die mehr oder weniger problemlos nachgefragt werden, müssen sich die Massenerzeuger etwas einfallen lassen. Heraus kommen natürlich bestenfalls Weine, die keinen besonderen Terroiranspruch haben, die Zielgruppe sind hier auch gar nicht die "Weintheoretiker". Hier mal ein schönes Beispiel zu dem man sagen muß: Alles richtig gemacht. Originelle Aufmachung, Schraubverschluß, frische, saubere, nicht übertriebene Fruchtaromatik, Alkoholgehalt moderat.





Eine andere Liga sind natürlich die schon erwähnten individuellen Winzer. Sie haben die Anfang der achtziger Jahre einsetzende Languedoc - Qualitätsoffensive getragen. Die Trendsetzer waren Um- und Einsteiger, Tüftler, Individualisten. Rebflächen, vor allem an den schwer zu bearbeitenden Hängen mit kargen flachgründigen Oberböden, konnten günstig übernommen werden. Namen aus dieser Zeit sind z.Bsp. Daumas Gassac, Mas Jullien, Saint-Jean de Bébian. Die Umbaudynamik hält bis heute an, immer noch erfüllen sich hier Newcomer ihren Winzertraum. Exemplarisch sei hier nur die Domaine Virgile Joly aus Saint Saturnin am Herault genannt. Die (Gründungs)geschichte und damit auch viel über das Winzerleben im Languedoc ist in einem schönen Buch von Patrick Moon beschrieben"Virgile's Vineyard: A Year in the Languedoc Wine Country" (klick).



Als Begründer der Erneuerungbewegung kann man hier sicher Aimé Guibert mit seinem Daumas Gassac in Aniane anführen, der deshalb hier nochmal herausgehoben sein soll. 1978 war der erste Jahrgang, der auf Mas de Daumas Gassac produziert wurde, unter Beratung des damaligen "Star-Oenologen" Emile Peynaud aus Bordeaux, einer Art Vorgänger von Michel Rolland. Anfang der 80er begann die Weinszene auf Daumas Gassac aufmerksam zu werden. Gutes Marketing kam dazu, zudem der Nimbus des Newcomers aus einer Underdog-Region. Der Gault Millau titulierte den Gassac gar als „Lafite des Südens". Wie auch immer, alles was aus dem Languedoc danach kam und kommt, steht durchaus auf den Schultern von Aimé Guibert.

Der ist übrigens bis heute ein kantig-knorriger Streiter für den Wein als regional verankertes Naturprodukt. Im Jahr 2000 erlangte Aniane Bekanntheit, als die Mondavis hier ein Weingut etablieren wollten. In der Bevölkerung formierte sich Widerstand, die Kalifornier zogen sich zurück. Anzuschauen ist das in Jonathan Nossiter herrlicher Dokumentation Mondovino. Gleich am Anfang gibt es da ein Inetrview mit einem grantelndem Aimé Guibert: "le vin est mort..." Der Trailer bei you-tube hier (klick). Ein Großteil (80%) der Weinberge ist mit alten, ungeclonten Cabernets bepflanzt - diese inzwischen schon 40 Jahre alten Reben erzeugen auf natürliche Weise nicht mehr als 35hl/ha. Daneben gibt es Parzellen mit Malbec, Merlot, Cabernet Franc, Syrah und vielen weiteren Rebsorten. Das Mikroklima ist kühl inmitten des heißen Languedoc, angestrebt wird nicht der opulent-fruchtige Stil, man setzt eher auf Feinheit und Komplexität. Die Weine gelten als sehr gut lagerfähig.



Nach den Côteaux du Languedoc folgen im weiten Bogen des Midi dann Faugeres, St.Chinian, das Minervois, südlich dann Fitou und das wildromantische Corbieres. Überall massenhaft Wein, überall agieren hier qualitätshungrige Winzer mit einer breiten Palette an Gewächsen mir durchweg gutem Preis-Genußverhältnis.

Der Weinradler verkostet im Minervois...



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