Samstag, 12. Juli 2014

Torstens Genusskommentar: Epernay – Nancy

Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen

Epernay – Nancy

Durch Epernay bin ich oft gefahren, zwei Mal habe ich wirklich einen Bummel durch den Ort gemacht, anläßlich meines Geburtstages 1994 – siehe Reims. An besagtem Wochenende haben wir uns auch Epernay und Châlons sur Marne angesehen und dann in jenem Urlaub, der in Belgien begann und den ich schon auf der letzten Etappe im Erinnerungsfokus hatte. Nach diversen Stopps um Laon und Soissons (incl. Chemin des Dames und Coucy le Château Affrique) ging es damals für mich ein paar Tage durch die Champagne. Dabei gefielen mir die diversen Stopps in den kleinen Dörfern aber besser als der Besuch von Epernay. Hier hatte ich damals Moet & Chandon sowie La Castellane besucht, war aber von dem ganzen Pomp, Luxus und den nicht so überragenden Preis-Genuss-Verhältnissen dort wenig angetan – aber ich habe mich dennoch nicht vom Champagner abgewendet, nur wenn, dann trinke ich lieber gute Champagner von kleinen Häusern und unabhängigen Winzern.
Ich werde mir demnächst auch noch einen zu Gemüte führen, nur habe ich noch diverse offene Reste vom Harzer Weingut Kirmann, einen Priorat, der getestet werden muss und Reste eines 2010er Bordeaux von gestern und noch vom 1999er Mas Jullien, der gestern ebenfalls für einen lieben Weinfreund den Korkenzieher sehen musste – es wäre also jetzt höchst unvernünftig, auch noch einen Champagner aufzureißen. Aber es gibt ja auch noch Tourruhetage und Tage ohne passenden Wein...
Es geht für die Radler natürlich vorbei an den Protzbauten der großen Champagnerfirmen, das Auge hat auch nichts dagegen, wo der Gaumen, das Bankkonto und die Vernunft sich doch eher wehren...



Auf schneller Hauptstraße geht es rüber nach Châlons sur Marne, eine Strecke, die ich bislang nie gefahren bin, nur gekreuzt habe. Châlons finde ich sehr schön vom Stadtzentrum her, wenngleich auch nicht aufregend, aber es ist eine Stadt zum Wohlfühlen, nicht zu groß, nicht zu klein. Schön ist die Kathedrale, aber auch die Kirche Notre Dame en Vaux. Eine Zeitlang war das immer eine Standardstrecke für mich, auch das, wie jetzt weiter gefahren wird. Ich müßte eigentlich mal wieder so fahren, wenn es sich anbietet. Die Straße ist zunächst bis an die Argonnen sehr zum Rasen verführend, man blickt lange und weit geradeaus, die wunderschöne Kirche Notre Dame de l´ Epine ist weithin sichtbar, aber ich rate jedem, der erstmals hier lang kommt, hier eine Pause einzuplanen. Diese Kirche ist ein wunderbares Bauwerk der Gothik, Gläubige und „Heiden“ gleichermaßen fesselnd durch die Größe und die enorme Detailfülle des steineren Bildhauerschmuckes – außen wie innen. Dabei ist der kleine Ort eher unscheinbar und unauffällig, auch wenn er schon etwas touristische Infrastruktur hat.



Dennoch, zum Bummeln und zur Versorgung mit Lebensmittel ist es besser, weiter bis Ste. Menehould zu fahren, ein wunderhübsches französisches Kleinstädtchen, gut erhalten und wie aus einem Guss wirkend – man ist zurück in der Zeit des 18. Jahrhunderts. Das hat durchaus Charme, vor allem, wenn man bedenkt, wie viele Städte der Gegend in den letzten Kriegen so stark zerstört wurden, dass sie heute nicht mehr schön wirken. Dieser Ort aber ist ein Kleinod zum Wohlfühlen.
Und danach hat auch das Auge wieder mehr zu tun, die langweiligen Straßen durch die endlosen Felder, wo es ewig geradeaus geht, sie sind vorbei, es kommen die Hügel der Argonnen, eine liebliche waldreiche und abwechslungsreiche Gegend. Die kleinen Anstiege bei Les Islettes sind im Winter durchaus ernst zu nehmen, ich bin schon einmal wegen Glatteis und querstehender LKW´s dort nicht über den Pass gekommen und musste einen weiten Umweg um die Berge herum in Kauf nehmen..
Das kleine Städtchen Clermont en Argonne ist zwar hübsch anzuschauen, aber es wirkt fast wie ausgestorben, hier möchte man nicht mal als Hund begraben sein und auch die Suche nach einer Unterkunft ist nicht witzig. Irgendwie landet man dann immer mitten im Wald an ein und demselben Hotel, wo man dann zur Not irgendwie immer unterkommt, Und dann kann man es den Fahrern gleich machen und Verdun nördlich umfahren – durch die riesigen Schlachtfelder des ersten Weltkrieges – heute oft ausgedehnte Wälder, aber der Schein trügt, wir fahren eigentlich hier nur über die Massengräber des Grauens. Die Ortsschilder sind alle noch vorhanden, dann kommen Schilder, die darauf verweisen, das hier die Schule war, das Gasthaus, die Bäckerei etc. Heute herrscht der Efeu über allem – und dann die riesigen Soldatenfriedhöfe, allen voran das Ossuaire von Douaumont. Und viele Reste von Forts, Schützengräben, Tunnelanlagen etc. Man muss das schon mal gesehen haben, so mahnend und beeindruckend ist diese Gegend, aber schön geht dennoch anders. 
Schön will es bis heute auch nicht sein, schön war es seit 100 Jahren nicht mehr...



Dafür ist es Geschichtsunterricht pur und sehr bewegend noch dazu. Die Gegend wird im Naturpark Lothringens etwas friedlicher, es waren nicht mehr ganz so hart umkämpfte Gebiete, aber ganz friedlich war es vor etwa 100 Jahren hier nirgends. Heute ist die Gegend hier um den See Etang Madine hübsch und beschaulich, herrlich ruhig und für das Radfahren fast schon etwas abgeschieden. Ich war hier in den 90ern auch mehrfach per Rad unterwegs, Touren, auf die wir noch zu sprechen kommen müssen.

Je näher wir an Toul kommen, desto bedeutsamer wird wieder der Wein. Am Hauptort des lothringischen Weinbaugebietes Côtes de Toul, an Bruley wird fast vorbei geradelt, hier kann man nette einfache Weine entdecken, die recht preiswert sind und gute Essensbegleiter abgeben. Seltener findet man einzelne ernstere Rote aus Pinot Noir, manches aber lohnt die Mitnahme. Wer vor Ort ist, sollte sich mühen, diese regionalen Weine zu entdecken, u.a. den Vin Gris von Toul, der eine besonders blasse Roséspielart ist und mit seiner Aromenpalette, zu der die Franzosen Agrûmes sagen, hervorragend zu lothringischen Spezialitäten passt. Was der Wein an Reputation nicht hat, haben aber dann vielleicht die Mirabellen, die zu den Besten Frankreichs gehören. Ich persönlich mag aber auch den einen oder anderen Wein, nur hab ich grad wohl nichts mehr davon im Keller.



Auch Toul selbst hat das eine oder andere bedeutende Bauwerk, die Kathedrale ist beeindruckend, aber irgendwie richtig wohl fühlte ich mich doch nicht hier, zu viele Lücken, zu viele Dauerbaustellen. Dafür gibt es nahe der Autobahnabfahrt (der letzten vor der Peage) einen großen Cora Hypermarkt, wo ich gern vor der Wiedereinreise nach Deutschland anhalte, um vor allem das zu kaufen, was ich in Deutschland an französischen Spezialitäten nicht kriege.
Und am Ende dürft ihr mich alle gern einen Kulturbanausen nennen, denn von Nancy kenne ich leider bislang wirklich nur die Jugendherberge, einen Supermarkt und die Durchfahrt von der Autobahn her. Es muss ja noch was offen bleiben, auch für einen Frankreich-Narr wie mich...


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