Mittwoch, 23. Juli 2014

Torstens Genusskommentar: St. Gaudens – St. Lary – Pla d´Adet

Torsten (Priorat) Hammer schreibt zu den Etappen über seine vielfältigen Reise-und Genusserfahrungen

St. Gaudens – St. Lary – Pla d´Adet

Diese Etappe ist vom Rennverlauf wieder ganz nach meinem Geschmack, einen überwiegenden Teil der Strecke (vom Startort bis zum Peyresourde) kenne ich aus eigenem „Erfahren“, auch wenn nicht all zu viele Haltepunkte dabei sind. Aber die Landschaft läuft vor meinem geistigen Auge quasi mit...

Die Strecke durch das Garonne / Aran-Tal gehört inzwischen zu meinen Standardstrecken in das Priorat, von Toulouse kommend hat man noch mal etwas mehr als 50 km mautfreie Autobahn, erst 2 Abfahrten vor dem heutigen Startort muss man als Mautverweigerer runter. Aber auch dann läßt es sich gut fahren, St. Gaudens hat eine Umgehungsstraße (einmal nur hatte ich die Abfahrt verpaßt und mußte mitten durch das Zentrum, was aber auch nicht wirklich aufhält und man sieht ein wenig von der Stadt und wünscht sich irgendwann mal hier einen Kulturstopp. Bisher haben die Pyrenäen immer zu laut gerufen...
In Gourdan – Polignan, wo die D8 auf die N125 stößt, gibt es direkt am Kreisel einen großen Supermarkt, den ich häufig nutze – je nach Richtung für die letzten oder ersten Lebensmitteleinkäufe in Frankreich. Inzwischen ist es auch vom Spritpreis her egal, wie schon gestern erwähnt, lohnt es sich hier nicht mehr, noch bis hinter die spanische Grenze zum Tanken zu fahren...

Wenige Kilometer später sind sie dann urplötzlich da, die Pyrenäen. Da, wo wir auf die Garonne stoßen, beginnen auch die Berge rechts und links von uns zu wachsen. Wir aber bleiben unten im Tal. Die Landschaft wird jetzt Kilometer um Kilometer schöner. Wenn der mittelalterliche Turm von Fronsac von der Bergkuppe her grüßt, dann spätestens ist es da – das Pyrenäenfeeling.


Einige Kilometer später kommt der sehenswerte kleine Ort St. Beat. Ein Besichtigungsstopp lohnt hier wegen des alten Ortskerns, der wilden, hier ungezügelten Garonne, der Kirche und dem Rest der Schloßanlage, Bis vor wenigen Jahren hatte man jedoch das Gefühl, hier in einem toten Ort zu landen, alles war zu, es gab keine Läden und keine Gaststätten mehr. Die Besichtigung hatte etwas Unbehagliches, so schön der Ort an sich auch war. Aber man durfte hier weder Durst noch Hunger haben - lange Jahre fuhr jeder hier die paar Kilometer weiter bis über die spanische Grenze, um sich dort wesentlich billiger mit allem zu versorgen. Auch der große Marmorsteinbruch konnte das nicht ändern, Hier wurde das Geld verdient, wenige Kilometer weiter in Spanien wurde es ausgegeben.
Erst jetzt in den letzten Jahren mit der gravierenden Krise in Spanien und der einhergehenden enormen Verteuerung des Lebens dort hat der Trend begonnen, sich umzukehren. Nun sind wieder kleine Läden in St. Beat entstanden, auch Einkehrmöglichkeiten gibt es plötzlich wieder, Leute (und nicht nur Touristen) sind wieder auf den Straßen zu sehen. Die Krise im Aran-Tal ist der Aufschwung an der Garonne...

Hinter Fos gibt es einen eigenartigen Kreisverkehr, der um einen ganzen Felsen mit einer Turmruine herum führt, die ehemalige französische Grenzfeste. Von nun an sind wir im früheren Niemandsland, heute ist das noch klar als Frankreich definiert und erst das blaue Schild mit dem Sternenkreis markiert, dass wir auf Spaniens Hoheitsgebiet kommen. Manchmal steht hier immer noch die Polizei und der Zoll, wenn mal wieder auf Verbrecher Jagd gemacht wird, Demonstrationen oder Unruhen gar zu befürchten stehen – wie auf der Firafahrt vor ein paar Jahren, wo es einige Tage später in Barcelona einen großen politischen Gipfel gab. Uns hat man dennoch damals nicht kontrolliert, sondern durchgewunken. Zu friedlichen Momenten fährt man auch fast unbemerkt rein, denn es ändert sich nur wenig im Detail, die Straßenbeschilderung zum Beispiel.

Direkt an der Grenze gibt es eine nette Gaststätte, wo man vernünftig isst und das letzte oder erste billigere Bier /resp. den Kaffee bekommt. Da ist der Preisunterschied noch deutlich, wo er in den Lebensmittelläden und an der Tankstelle schon deutlich verwischt. Deswegen waren auch in diesem Jahr deutlich weniger französische Autos im kleinen, aber auch hübschen Bosost zu sehen, sonst war hier immer die Hölle los mit französischen Einkaufstouristen. Ich persönlich fand es in diesem Jahr oder auch schon letztes Jahr im Herbst dort deutlich angenehmer, es war nicht so überfüllt und das alte Ortszentrum mit seiner romanischen Kirche ist immer noch schön, aber ich jage dort auch nicht dem billigen Schnaps und den billigen Zigaretten hinterher, sondern kaufe allenfalls noch ein paar spanische Wurstspezialitäten oder guten Käse aus dem Aran-Tal.

Die Tour traut sich nur lächerliche 10 km tief nach Spanien rein, dann geht es schon wieder raus aus dem Tal und rauf zum Col du Portillon, wo bereits wieder die Grenze ist.


Eine wirklich große Etappe hier durch die Pyrenäen hätte mich mehr gefreut, ist diese Gegend hier doch auch was fürs Auge...
Und das Aran-Tal ist eigentlich auch eher französisch geprägt. Im Pyrenäenfrieden, als der französische König dem spanischen was abgeben sollte, da trat er ihm das Aran Tal ab und wurde die als aufmüpfig geltenden Bewohner hier theoretisch los. Der spanische König hingegen und seine Schergen hatten Mühe, zu den neuen Untertanen zu kommen.

Der Tunnel von Vielha wurde erst 1948 eröffnet, erst seit 1965 ist die Straße ganzjährig befahrbar und ist heute der schnelle Weg runter nach Lerida. Aber auch über den höchsten heutigen spanischen Pyrenäenpaß Port de Bonaigua gibt es erst seit 1924 eine Straße, die aber im Winter bei zu viel Schnee geschlossen wird.
Man kam also jahrhundertelang nur beschwerlich im Sommer über die hohen Pässe, man ist hier unweit der Maladeta Gruppe, der höchsten Berggruppe der Pyrenäen, Auch der Hausberg Besiberri ist ein 3000er Doppelgipfel...


Man war abgeschieden und machte sein eigenes Ding, wirtschaftlich und kulturell immer eher an Frankreich orientiert, weil man nach dort talabwärts leichter hin kam. Das Aranes entwickelte sich als eigene Sprache, die hier bis heute als Amtssprache gilt, heute gleichberechtigt neben spanisch und katalan. Die Aranesen kämpfen heute um eine Anerkennung als ethnische Minderheit.

Inzwischen ist die Tour wieder in Frankreich, auch über den Col du Portillon und bis auf den Col de Peyresourde bin ich des öfteren gefahren, allerdings immer mit dem Auto.
Meine Radstrecke von 1996 wird leider nicht mehr berührt – wir kamen damals den Port de Bonaigua runter, haben in Vielha gezeltet und sind am nächsten Tag durch den Tunnel von Vielha – was per Rad wohl der größte Horrortrip meines Lebens war.

Nervensache: Tunnel von Vielha
Es geht in diesem langen Tunnel noch etwa 5 km immer weiter bergan, entsprechend schwach ist das Rücklicht und der Tunnel war 1996 kaum gut ausgeleuchtet. Um besser gesehen zu werden, hatten wir damals unsere Stirnlampen noch verkehrt rum auf den Kopf gesetzt, um nach Hinten abzustrahlen. Obwohl wir nicht gläubig waren, sprachen wir vor der Einfahrt in den dunklen Schlund ein Gebet und jede Menge Adrenalin wurde frei, als wir am anderen Ende des Tunnels das rettende Licht sahen. ..
Die vielen kleinen alten Kirchen am Wegesrand hinauf zum Peyresourde lohnen einen Besichtigungsstopp. Da ich auch noch nicht in allen war, gibt es immer noch Gründe für ein Wiederkommen. Ein Stopp oben auf dem Pass und eine Einkehr in die dortige kleine Bar hingegen ist obligatorisch. Auch der Blick, der sich ein paar Meter hinter dem Paß in Richtung Vignemale und Co öffnet, kann unvergeßlich sein.


Ab Estarvielle verläßt die Strecke dann mir bekanntes Gebiet, ich bin bislang nie die kleine Straße nach St. Lary rüber gefahren, die es aber auch noch gar nicht so lange gibt. Nur St. Lary selbst kenne ich dann wieder vom Durchfahren in Richtung zum Tunnel von Bielsa.
Ansonsten bräuchte ich für das Gebiet hier erst einmal verläßliche Informationen und gutes Kartenmaterial – es gäbe auch in der Ecke einige 3000er zu besteigen, aber man sollte hier nie herfahren, ohne sich vorher gründlich vorbereitet zu haben. Sonst wird das nichts mit den Gipfeln, die mitunter schon nach Eispickeln, Steigeisen und Kletterausrüstung verlangen können.

In Deutschland sind diese Ecken eher noch unbekannt und man bekommt kaum wirklich gute Tipps. Aber vielleicht macht gerade das den Reiz und den Entdeckerdrang aus...



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