Dienstag, 12. Juli 2016

Weinradlers Depesche: Carcassone - Montpellier


Die heutige Etappe von Carcassone nach Montpellier: Die große Schleife durchs Midi!

Rechts hinter der Küstenebene am Horizont: Mer Mediteranée, die ewig blaue, warme Lebensspenderin seit jeher. Aber auch die geschundene Zeugin des Aufstiegs und Zerfalls großer Reiche, Zeugin zarter Liebe, Zeugin unfaßbaren Leids bis in unsere Tage.

Nach links heraus erhebt es sich dann: Die Ausläufer der Cevennen, Orte uralter Besiedlung, karge Höhen, Rückzugsraum für Widerständiges, die Maquisards, dann ganze Dörfer leergezogen, heute wiederentdeckt, wildromantische Sehnsucht...

Die heutige Etappe: eine einzige Schleife durch den Wein. Unter der sengenden Sonne des Midi wachsen traditionell pralle reife Trauben. Die Weinbauern dort, meist in großen Genossenschaften organisiert, haben seit 100 Jahren den täglichen Weinkonsum der Franzosen sichergestellt und damit einen verdienstvollen Beitrag zur Ernährung der Bevölkerung in den industriellen Zentren des Nordens geleistet.
Verlässt man bei Avignon westwärts die "Autoroute du Soleil", fährt man über die A9 von dort bis zur spanischen Grenze 300 Kilometer durch Weinfelder. Vom rechten Ufer der Rhône bis an den Fuß der Pyrenäen reicht das größte zusammenhängende Weinbaugebiet der Welt.
Hier werden bedeutende Mengen des europäischen Weinsees produziert, Massenerzeugung total. Ein Weinsee, den in dieser Menge keiner leertrinken kann.

Masse total: Weintanker im Midi 
Aber auch hier Erneuerung immerzu, individuelle Winzer, knorrige Weintypen haben Anfang der achtziger Jahre die einsetzende Languedoc - Qualitätsoffensive getragen. Die Trendsetzer waren Um- und Einsteiger, Tüftler, Individualisten. Rebflächen, vor allem an den schwer zu bearbeitenden Hängen mit kargen flachgründigen Oberböden, konnten günstig übernommen werden. Namen aus dieser Zeit sind z.Bsp. Daumas Gassac, Mas Jullien, Saint-Jean de Bébian. 

Feiner Individualist: Mas de Daumas Gassac

Etappenstart ist heute  Carcassonne, mit seiner komplett erhaltenen mittelalterlichen Cité ein absolut beeindruckender Ort.




Zum ersten Mal dort war ich 1996. Wir hatten mit einem alten roten Kadett in einer Woche eine große Schleife gedreht, von Saarbrücken über das Massif Central bis Andorra, dann südlich der Pyrenäen über Pamplona hinein ins Baskenland, dort Bilbao und San Sebastian angeschaut, schließlich zurück nach Frankreich über Saint-Jean-de-Luz und Biaritz. Nach einigen Bergstrecken durch die Pyrenäen dann nach Carcassonne und weiter durch das Languedoc, die Provence und die Schweiz zurück in den Ruhrpott. Ein Wunder, daß die alte Kiste mit dem Nähmaschinenmotor durchgehalten hat, geschont wurde weder Mensch noch Material auf dieser Runde.

Carcassonne: die Anlage der Cité wirkte wie eine Filmkulisse mit ihren Türmchen, Zinnen und Wehrgängen und davor die Reben: Eine Ideallandschaft, dazu der kleine rote Bochumer.

Im Jahr 2005 machten wir dann Familienferien in der Nähe, in einem kleinen Kaff im Minervois. Ein Ausflug in die Festungsstadt bot sich da an, im Sommer ist innerhalb der Mauern allerdings die Hölle los, sehr voll, macht keinen Spaß. Der Priorat-Hammer hat das hier schon mal sehr gut beschrieben (klick).



Stattdessen gab es schöne Verkostungen mit Crus des Minervois im Ferienhaus, viel Feines dabei...


Carcassone ist eine Schnittstelle für so einige AOCs des Südens. Das Minervois gruppiert sich nördlich, zum Meer hin bei Narbonne gibt es einige interssante Weingüter. Südlich erstrecken sich die wildromantischen Corbieres, als Einsprengsel Fitou, natürlich auch Limoux mit schäumendem Crémant de Limoux, hauptsächlich bereitet aus Chardonnay.
Die Radroute schlängelte sich dann weiter durch viele weitere Weinbauzonen des Languedoc. Nach dem Minervois (bekannte Winzer hier z.Bsp. die Chabberts in  mit ihrem Clos de l´ Escandil in Siran, die Tour geht da heute durch) dann St. Chinian ( z.Bsp. Domaine Guy Moulinier) und schließlich Faugeres.

Rosé-Rast in Cesseras, da geht die Tour heute durch

Es folgt dann die weite hügelige Zone bis Montpellier, überall Reben, soweit das Auge reicht. Am nördlichen Rand der Küstenebene, an den Ausläufern der Cevennen, liegen die Côteaux du Languedoc. Überall agieren hier auch qualitätshungrige Winzer, Quereinsteiger, Newcomer. Bekannte Qualitätsnester sind hier u.a. Montpeyroux, Aniane und Jonquières etc.

Erinnerung dort an einen späten Sommer im Jahr ´96, eine Woche in St. Saturnin de Lucian. Die örtliche Genossenschaft lieferte den Wein, der weite Blick über die Dächer zur Ebene, dahinter das Meer...



Sonnensatte Weine mit viel Frucht und würzigem Schmelz gibt es dort. Grenache, aber auch die Syrah erreicht dort wirkliche Klasse, besonders aus den Hügellagen, Gute Namen sind hier u.a. Chateau de Cazeneuve, Chateau l' Euziere, Chateau Puech-Haut, Domaine de l' Hortus, Domaine de Morties, Domaine Clavel und viele andere.

Die Tourstrecke läuft hier heute ein paar Kilometer mehr Richtung Küste, da wo schon die salzige Luft des Meeres lockt, der Vin de Sable bei Sète, großartige Stadt, praktisch von allen Seiten von Wasser umgeben, gekrönt vom Hügel Mont St. Clair. Die Geburts- und Heimatstadt von Georges Brassens, dem großen Poeten und Sänger. Der hatte sich ja in einem Chanson gewünscht, am Strand von Sète begraben zu werden ("Supplique pour être enterré à la plage de Sète").
Die nächste Weinadresse ist dann Frontignan, schon direkt am Wasser gelegen. Trotz eines großen Tanklagers ein sehr schönes Städtchen mit altem Ortskern, Weinfreunden bekannt für seinen Muscat de Frontignan. Von da sind es nur noch ein paar Kilometer bis zum Zielort Montpellier, feine offene Stadt des Südens.

Place de la comédie





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